Probleme der neueren Lyrik

Barocke Dichtung Wozu ein Gedicht diente, war im Barock kaum der Frage wert. Die Frage nach dem Zweck der Dichtung wird gestellt, wenn der Boden verletzt worden ist, auf dem sich alle Sprache befindet. Im geselligen Leben der barocken Formen, die sich aus heutiger Sicht auf ungeahnte Weise ausdehnten, hatte Dichtung ihren Ort. So wurde die Klage vollzogen, die große, unvergleichliche des Dichters Andreas Gryphius zum Beispiel, die den Titel „Thränen des Vaterlandes (1636)“ trägt. „WIr sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!Der frechen Völcker Schaar / die rasende PosaunDas vom Blutt fette Schwerdt / die […]

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Unwahrscheinlich hässlich!

Andreas Gryphius’ Spottgedicht „An eine Geschminkte“ Es ist erstaunlich, welchen Eindruck Kleidung à la mode im Barock hinterlassen hat, gab es doch tausend Gründe zur Ängstlichkeit. Wollte jeder Mensch sich nicht eher verstecken als sich zeigen? Verschaffen imposante Perücken, mit Goldpailletten besetzte Hauben den durch Leben und Leid geprüften Menschen also doch Erleichterung? Lässt die Schönheit sie Atem holen? Wie oft haben die Menschen des Barock jemanden auf die beste Art gekleidet gesehen, so exquisit ausgestattet, wie es das petrarkistische Schönheitslob vorgibt? Es ist dieses Medium, das die Linien des Körpers Vers für Vers auf das Vorteilhafteste nachzeichnet, das […]

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Barocke Dichtkunst ist rhetorisch

Nicht jedes Gedicht ruft Gefühle hervor. Nicht jedes Gedicht bekommt so viel Tiefe, dass der Leser lieber mit ihm allein sein möchte. Man nehme nur das Liebesgedicht, bei dem der Leser eine Übermacht empfindet, gegen die er nichts ausrichten kann. Liebesgedichte können zu Tränen rühren, so ergreifen und treffen sie die Empfindungen. Doch nicht alle Gedichte haben diese Qualität. Expressionistische Endzeitgedichte werden unversehens zu Manifesten, die auf Transparenten gemalt umhergetragen und dem gedankenlosen Bürger entgegen gehalten werden. können. Jakob von Hoddis: Weltende (1911)Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,In allen Lüften hallt es wie Geschrei,Dachdecker stürzen ab und […]

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Willkommen und Abschied

Sesenheimer Pfarrhaus. Goethe erinnert sich später, in dieser Zeit mit Friederike Brion wie am „Mittelpunkt der Erde“ gelebt zu haben. Wilder Reiter – Erlebnislyrik wie „Willkommen und Abschied“ Das Gedicht „Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe, in der ersten Fassung im Jahr 1771 veröffentlicht, zählt zu den Sesenheimer Liedern. Die Sesenheimer Lieder stellen insofern eine Wende innerhalb der deutschen Lyrik dar, als der Stoff der Lyrik in die Seele des Sprechers verlagert worden ist. Der Sprecher sieht den Stoff nun so an, als ob er nur in seinem Innern vorhanden wäre. Goethe versucht in dieser für die […]

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Wasserleichen

Zur Darstellung der Wasserleiche in der expressionistischen Literatur Es gab einen expressionistischen Affekt. Aus ihm formte sich der Kampf gegen Wissenschaftsdenken, Fortschrittsoptimismus, Bürokratie und wilhelminischen Geist. Nietzsche hatte es vorausgesehen: Die Deutschen brauchten die Konfrontation mit der eigenen Schwäche. Diese Erfahrung wirkte in ihrer Kraft tiefer und mächtiger als die Erinnerung an ein Subjekt, das mit seinen Idealen ins Dasein tritt und mit ihnen wieder daraus verschwindet. Im Expressionismus bekam die „Psychopathographik“ der Deutschen eine Stimme (vgl. Walter Müller-Seidel: Wissenschaftskritik und literarische Moderne. In: Die Modernität des Expressionismus, hrsg. von Thomas Anz und Michael Stark. J. B. Metzler Verlag: […]

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Fremd bin ich eingezogen

Christoph W. Bauers Sonett „fremd bin ich eingezogen unter meine Haut“ Die Innenperspektive, die Expedition ins Ich, kann der perspektivischen Verzerrung wegen zum erhofften Glück nicht führen. Die Außenperspektive, indem sie das Ich als Ganzes wahrnehmen lässt, verschafft nicht das Glück des Erlebens. Die Selbsterforschung, wie es im folgenden Gedicht angedeutet wird, bleibt daher fragwürdig. Nicht von ungefähr behält das lyrische Ich den Ausgang im Blick, hinter dem ein neues Glücksversprechen, eine mögliche Heimat liegen könnte. Die Vorlage aus Wilhelm Müllers 1823 erschienenen Gedichtzyklus „Winterreise“, von Franz Schubert einfühlsam mit abwärts führender Melodiestimme vertont, wurde als Muster der melancholischen […]

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Einladung zur Reise

Meine schwester mein kind! Denk dir wie lind Wär es dorthin zu entweichen! Liebend nur sehn · Liebend vergehn In ländern die dir gleichen! Der sonnen feucht Verhülltes geleucht Die mir so rätselhaft scheinen Wie selber du bist Wie dein auge voll list Das glitzert mitten im weinen. Dort wo alles friedlich lacht – Lust und heiterkeit und pracht. Die möbel geziert Durch die jahre poliert Ständen in deinem zimmer Und blumen zart Von seltenster art In ambraduft und flimmer. Die decken weit Die spiegel breit In Ostens prunkgemache Sie redeten dir Geheimnisvoll hier Die süsse heimatsprache. Dort wo […]

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