(Kirchen-)Politik und wissenschaftliche Expertise

Bertolt Brecht: Leben des Galilei Es könnte dein Misstrauen gegenüber der Kirche verstärken, wüsstest du, wie widersprüchlich sie in der Sache Galileo Galilei vorgegangen ist. Es ist nicht so, dass die Kirche den Astronomen rundweg abgelehnt habe. Der rühmte sich, zahlreiche Gönner in der Kirche zu besitzen, unter ihnen sogar Kardinal Maffeo Barberini, den späteren Papst Urban VIII. Das Haupt der Kirche hatte, 1611, als Kardinal den Forscher als einen frommen und tugendhaften Mann von hohem Wert bezeichnet. Ein Gedicht hatte er auf dessen revolutionäre Entdeckungen am Himmel verfasst. Es trug den Titel „Adulatio perniciosa“ (Ungestüme Verehrung). Aber die […]

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Ein Grundmodell des epischen Theaters

Brecht war entschlossen, das, was er sich für die Bühne vorstellte, auch praktisch umzusetzen. Warum nicht auch auf der Straße? Was es bedeutet, Straßentheater zu spielen, ist dir vielleicht bekannt, von einem Festival, aus einer belebten Fußgängerzone. Das Straßentheater, das auf bühnentechnische Hilfsmittel verzichtet, könnte an jeder x-beliebigen Straßenecke spielen. Das Straßentheater versteht sich nicht als Nachahmung des großen Theaters. Wir könnten sagen: Es versteht sich aus einem Verhältnis zur Sprache, Gebärde und Geste. Brecht möchte – so ist es seinen theoretischen Überlegungen zum Theater zu entnehmen – vor allem das Erzählerische im theatralischen Vorgang wirksam werden lassen. Im […]

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Galilei im Karneval

Das zehnte Bild aus Brechts Schauspiel „Leben des Galilei“ Der Mensch ist nicht das Thema des epischen Theaters. Sicher ist häufig vom Menschen die Rede in Brechts Theaterstücken. Es gibt berühmte und gute Menschen im Werkverzeichnis des Dichters zu finden: Antigone, Galilei, die heilige Johanna usw. – sollte es Brecht, unter dem Deckmantel der Biografie, nicht um den Menschen gegangen sein? In allen Gestalten spiegelt sich jedoch nur, was der Dichter als sein primäres Thema betrachtet. Der Mensch ist dabei nur die Fundstelle, der Ort, an dem das Thema sich erschließt. Brechts Interesse gilt gesellschaftlichen Fragen, kurz: der Frage, […]

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Schauspieler verkörpern Sprechakte

Anmerkungen zu Brechts „Leben des Galilei“ Dass der Deutschunterricht den Schauspieler thematisiert, ist ungewöhnlich. Ungewöhnlicher ist, dass er so wenig berücksichtigt wird. Nirgendwo sonst ist so von der Nachahmung die Rede, und die Nachahmung spielt in der Schule eine große Rolle. Die Schauspieler sind vor allem Träger der Handlung, was an den englischen Ausdrücken „actress“, „actor“ deutlich wird. Sie müssen nicht Menschen nachahmen. Sie könnten auch Tiere nachahmen. Selbst im Tier auf der Bühne begegneten uns dann nachgestellte Handlungen, in sich reflektierte Handlungseinheiten, die die verkörpernde Person im Tierkostüm überdeckten. Diese in sich reflektierten Handlungseinheiten werden von den Schauspielern […]

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Brechts Philosophie der Liebe

Zur Darstellung der Liebe im Parabelstück „Der gute Mensch von Sezuan“ Die möglichen Begriffe von Wahrheit, die im Zusammenhang mit der Liebe ins Spiel kommen, sind sehr unterschiedlich. Wenn es heißt, dass wahre Liebe nur in poetischen Bildern ausgedrückt werden könne, dann steht damit ein anderer Begriff von Wahrheit auf dem Prüfstand als bei der Aussage, dass Wahrheit stärker als Lüge sei. Während die Wahrheit im Sinne wissenschaftlicher Forschung der Lüge nämlich eine Grenze setzt – und damit die Wirklichkeit auf Gesetze und Ausgangsbedingungen zurückführt – schlägt die Liebe hinsichtlich der Lüge eine andere Richtung ein. „Wahre Liebe“, was […]

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Das Gerücht von Sezuan

Vorspiel: Ankunft der Götter in Sezuan (Sezuan: 7–17) Dass es Götter gibt und dass einige von ihnen in Sezuan erwartet werden, ist ein nicht zu stillendes Gerücht. Der betrügerische Wasserverkäufer Wang zumindest erinnert daran. Immer sei es Zeit, an sie zu denken, suggeriert er. Kann man dem Verkäufer trauen? Wenn es stimmt, dass Götter das Ende des Denkens bedeuten, dann wäre Bertolt Brechts Parabel „Der gute Mensch von Sezuan“ bereits widerlegt. Denn die Götter der Parabel müssen denken, andauernd sogar. Dass dieser Zwang zum Denken, der Idee epikureischer Götter widersprechend, absichtsvoll jenen Wesen auferlegt ist, liegt auf der Hand. […]

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Der kleine Mönch

Der Streit, der zwischen Galileo Galilei und der Kirche ausgefochten wurde, wirkt heute niederträchtig, hinterhältig und wirr. Nichtsdestoweniger ist der Streit bedeutsam, hat er, auf lange Sicht gesehen, doch für eine Umwälzung im Denken gesorgt. Der Streit gilt als Ausdruck des dramatischen Kampfes zwischen Naturwissenschaft und Kirche. Der Wissenschaftler Galilei hat dabei bewirkt, dass jene Ansicht nicht mehr tragbar ist, dass nämlich die Erde in Ruhe sei und von der Sonne umlaufen werde. Das ptolemäische Weltbild wird abgelöst. In der Figur des kleinen Mönchs aus Brechts Schauspiel „Leben des Galilei“ tritt die Haltung der Kirche deutlich hervor. Dessen Haltung […]

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