Des Menschen Wille ist sein Himmelreich

Prinz

Prinz Friedrich von Homburg

Für viele ist bereits das morgendliche Aufstehen Ausdruck des guten Willens. Frühaufsteher haben ihn gewiss in anderer Hinsicht nötig. Ohne den guten Willen verfehlen Vorsätze ihre Wirkung, verliert die Reue ihren Wert. Der gute Wille bildet schließlich den Charakter des Menschen.

Heinrich von Kleist übernimmt diesen kantischen Gedanken in dem Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“. Kleist scheint in dem Prinzen Charakterbildung demonstrieren zu wollen. Ist das Schauspiel daher als Erziehungsdrama zu betrachten? Dieser Vorstellung folgend wäre der Kurfürst der Erzieher des Prinzen und der Prinz durch den Herrscher zur Reife gelangt. Die vermeintliche Erziehung des Prinzen wird jedoch mit drastischen Methoden vollzogen. Das Gnadenangebot des Kurfürsten stellt den guten Willen des Prinzen in beinahe sadistischer Weise auf die Probe. Und als der Prinz das Gnadenangebot ausschlägt, wird er tatsächlich bis zum Schafott geführt. Es ist daher sinnvoller, von einem Drama des guten Willens oder Pflichtendrama zu sprechen.

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Bereits die Eingangsszene beschreibt das grundlegende Problem der Handlung: Der Wille gehört nicht zur sichtbaren Welt. Er beruht auf der Einbildungskraft des Menschen. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, wie es im Sprichwort heißt. So ist der Konflikt des Prinzen mit der Hofgesellschaft durchaus erklärlich, zumal der Wille des Prinzen zunächst in dem schlechtesten Licht erscheint. Nur den eigenen Neigungen scheint der Prinz folgen zu wollen. Der Traum der Eingangsszene zeigt, dass der Wille des Prinzen sich nur auf die eigenen Zwecke richtet. Das Schlafwandeln kann übrigens als Bühnentrick aufgefasst werden. Durch das Schlafwandeln wird Unsichtbares sichtbar, kommt die Seele des Prinzen zum Vorschein (Anima ex machina).

Die Eingangsszene zeigt den Prinzen vor der Kulisse eines Schlosses in einem an das Schloss anschließenden Barockgarten. Der Prinz sitzt unter einer Eiche, damit beschäftigt, sich einen Lorbeerkranz zu winden. Es ist Nacht. Außer dem Prinzen befinden sich der Kurfürst, die Kurfürstin, ihre Nichte, Prinzessin Nathalie, Graf Hohenzollern und weitere Mitglieder der Brandenburger Hofgesellschaft auf der Szene, darunter auch Pagen, welche Fackeln tragen.

Die Szene lässt sich folgendermaßen gliedern:

  • V. 1–29: Bericht des Grafen über den Zustand des Prinzen,
  • V. 30–41: Betrachtung des Prinzen von der Rampe herab,
  • V. 42–64: Nähere Betrachtung des schlafwandelnden Prinzen,
  • V. 65–73: Erklärungen des Prinzen im Traum,
  • V. 74–77: Zornesausbruch des Kurfürsten.

Bei der Szenenanalyse sind die folgenden Figuren von besonderer Bedeutung:

Graf Hohenzollern

Graf Hohenzollern bestimmt von Beginn an die Szene. Er ist es, der das Interesse der Hofgesellschaft an dem schlafwandelnden Prinzen im Garten weckt und lebendig erhält. Ihm kommen die meisten Redeanteile zu. Ihm scheint die Bloßstellung des Prinzen willkommen zu sein.

Der Kurfürst

Aufschlussreich ist allerdings auch das Verhalten des Kurfürsten, insbesondere sein Zornesausbruch am Schluss der Szene. Dieser Affekt zeigt die brutale Seite des vermeintlichen Erziehers.

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