Schürzung des Knotens

Goethe: Iphigenie auf Tauris, II, 2 Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ gilt als klassisches Humanitätsdrama. Iphigenie verkörpert, was auszufüllen kein einzelner Mensch imstande ist: die „reine Menschlichkeit“, wie Goethe selbst, nicht ohne Selbstkritik, im Hinblick auf dieses Drama bemerkt. In der vorliegenden Szene (II, 2) wird Iphigenie mit einem der beiden Gefangenen konfrontiert. Es handelt sich um ihren Cousin Pylades, den Gefährten ihres Bruders, der von Iphigenie jedoch nicht erkannt wird. Die Priesterin nimmt dem Gefangenen die Fesseln ab. Hierauf kommt es zu einem folgenreichen Gespräch zwischen der Priesterin und dem Fremden. Iphigenie erfährt, dass Troja zerstört worden ist. […]

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Neue Sachlichkeit

Ganz ohne Fantasie scheint die Literatur der Moderne zu sein. Ihre Bilder wirken billig – entwertet durch das Dogma des Fortschritts. Das Erlebnis tritt in den Hintergrund. Es ist die Stunde der Wissenschaften und der Männer und Frauen ohne Eigenschaften. Doris zum Beispiel, die Protagonistin in Irmgard Keuns Roman „Das kunstseidene Mädchen“, welcher im Jahr 1932 erschienen ist, gibt zwar vor, großartig zu sein, verdinglicht sich jedoch, indem sie ihre besonderen Vorzüge so betrachtet, wie es bei einer im Grunde austauschbaren Ware der Fall wäre. Ihre Selbstwahrnehmung stimmt mit dem Gesamtbild überein. Die Massenmedien der Weimarer Republik propagieren den […]

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Eine Frage der Ehre

Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama Einige Schwierigkeiten bereitet die Frage nach dem Thema des kleistschen Schauspiels „Prinz Friedrich von Homburg“. Zum Vergleich: Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ gilt als klassisches Humanitätsdrama. Es erscheint jedoch unangebracht, Gleiches von Kleists Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“ zu behaupten. Keine der beteiligten Figuren entwickelt sich in dieser Richtung. Das Gnadenangebot des Kurfürsten stellt in dieser Beziehung keine Ausnahme dar, stellt es doch den Prinzen in unmenschlicher Weise auf die Probe. Vielmehr liegt es nahe, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama aufzufassen. Das Drama nimmt demnach eine Wende, als der Prinz […]

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Das Unglück in München

Tony Buddenbrooks Ehe mit Alois Permaneder Thomas Mann: Buddenbrooks. 6. Kapitel Das Unglück in München – Tony Buddenbrooks Ehe mit Alois Permaneder Der Roman „Buddenbrooks“ von Thomas Mann, 1901 erschienen, ist eine Familienchronik der besonderen Art. Der Bogen spannt sich über mehrere Generationen, von 1835 bis 1877. Erzählt wird die Geschichte der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook, angefangen vom Sohn des Firmengründers, Johann Buddenbrook (gest. 1842), bis zu Thomas Buddenbrook (gest. 1875), nach dessen Tod die Firma liquidiert wird. Johann Buddenbrook ist während der napoleonischen Befreiungskriege durch Getreidelieferungen an das preußische Heer zu Reichtum gekommen. Die Handlung setzt ein, als das […]

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Der Fall Woyzeck:

Mord als Sündenstrafe? Georg Büchner illustriert am Beispiel einer Kriminalgeschichte die Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland. Das Drama mit dem Titel „Woyzeck“ ist nach dem Vorbild eines historischen Kriminalfalls aus dem Jahr 1834 entstanden. Das Drama, das aufgrund von Büchners frühem Tod unvollendet geblieben ist, zählt zu den bedeutendsten Texten des Vormärz. Der Fall gestaltet sich kurz gesagt folgendermaßen: Marie Zickwolf, eine Frau aus der untersten Schicht, wird von ihrem Geliebten, dem Gefreiten Franz Woyzeck, erstochen, weil sie ihn mit einem Offizier, einem Tambourmajor, betrogen hat. Die Untreue der Geliebten ist für Woyzeck Grund genug, sie zu bestrafen. […]

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