Sublimierung als Abwehrmechanismus

Elisabeth Buddenbrook, geborene Kröger, ist in ihren Witwenjahren dem Himmel noch ein Stück näher gekommen als ihr verstorbener Mann, Johann Buddenbrook, genannt „Jean“. Wie ihre Namensverwandte, die heilige Elisabeth von Thüringen, widmet sie sich nun den Werken der Nächstenliebe. So wendet sie einen Teil ihres Vermögens für die Armen auf, richtet sogar eine Sonntagschule ein, in der Arbeiterkinder Aufnahme finden.
Ihr Sohn, der Senator dagegen hält keine großen Stücke auf die Religion. Was das Verhältnis zur Religion anbetrifft, ist Thomas Buddenbrook seinem Großvater ähnlich, Johann Buddenbrook dem Älteren. Dennoch gilt auch für Thomas, dass er, um wieder diese Wendung zu gebrauchen, „dem Himmel näher“ ist.

Was aber bedeutet diese Wendung? Im Hinblick auf Elisabeth und Thomas meint sie, dass für die genannten Figuren ökonomische Werte mehr und mehr in den Hintergrund, ideelle Werte dafür in den Vordergrund treten. So idealisiert Thomas den Kaufmannsberuf, indem er sich vorstellt, mithilfe dieses Berufes die Welt nicht nur passiv erleben, sondern selbst, „dirigieren[d]“ lenken zu können. In diesem Sinne ist z. B. die folgende Äußerung zu verstehen:
„Ich glaube nicht, daß ein großer Erfolg vom Comptoirbock aus zu erkämpfen ist… wenigstens würde er mir nicht viel Freude machen. Der Erfolg will nicht bloß am Pulte berechnet sein… Ich habe stets das Bedürfnis, den Gang der Dinge ganz gegenwärtig mit Blick, Mund und Geste zu dirigieren… ihn mit dem unmittelbaren Einfluß meines Willens, meines Talentes, meines Glückes, wie du es nennen willst, zu beherrschen. Aber das kommt leider allmählich aus der Mode, dies persönliche Eingreifen des Kaufmannes.“

Der Autor selbst beschreibt diesen, für den gesamten Roman zentralen thematischen Zusammenhang übrigens als „Sublimierung ins Spirituelle“. An anderer Stelle spricht er von einer „Veredlung“ der Familie Buddenbrook. Die „Veredlung“ ist überdies mit einem von Generation zu Generation wachsenden Schamgefühl verbunden, was beispielsweise erklärt, warum Christian der Familie peinlich ist.

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