Was von der Sprache übrig bleibt

Dieter Wellershoff: Bleibe (1986)

Die Sprachstörung geht den umgekehrten Weg wie die Sprache. Diese sucht bei der allmählichen Verfertigung der Gedanken nach der vollkommenen Übereinstimmung zwischen Inhalt und Form, nach der passenden Formulierung. Jene leitet den Adressaten mit Hilfe der die Ausdrucksformen begleitenden Emotionen zu den Inhalten der so genannten „inneren“ Sprache – die Form schlägt in dem Fall in den Inhalt um. Die Kommunikation mit dem unter der Sprachstörung leidenden Kranken hält sich also an das, was unmittelbar erlebt wird. Es kann dabei vorkommen, dass der Kranke ein und dasselbe Wort in gegenteiliger Bedeutung verwendet. Er sagt zum Beispiel „Bleib!“, gemeint ist aber „Geh!“.

Diese Idee liegt einer hintergründigen Kurzgeschichte von Dieter Wellershoff aus dem Jahr 1986 zugrunde. Die Geschichte trägt den Titel „Bleibe“. Eine Frau mittleren Alters, von Beruf Lehrerin, besucht, bevor der alltägliche Unterricht für sie beginnt, ihren schwerkranken Mann im Krankenhaus. Es wird der Eindruck hervorgerufen, dass dieser an den Folgen eines schweren Schlaganfalls leidet. Der behandelnde Arzt, der die Frau über den Zustand des Mannes unterrichtet, stellt einen fast vollständigen Sprachausfall fest. Die einzige deutlich vernehmbare Mitteilung des äußerst hilflos wirkenden Kranken ist das immer wieder hervorgebrachte Wort „Bleibe“. Auf den ersten Blick gesehen bildet die durch die Krankheit bedingte Aphasie das Thema der Geschichte.

Arbeitsanregung:

  • Analysieren Sie den Text unter besonderer Berücksichtigung des Kommunikationsverhaltens der beiden Hauptfiguren.
  • Berücksichtigen Sie auch die formale Gestaltung des Textes: Inwieweit handelt es sich um eine typische Kurzgeschichte?
  • Lösungsansatz:

    EINLEITUNG

    Sie orientieren den Leser über den vorliegenden Text, indem Sie Titel, Autor, Erscheinungsjahr und Thema nennen und den Inhalt kurz beschreiben.

    Die vorliegende Kurzgeschichte von Dieter Wellershoff aus dem Jahr 1986 trägt den Titel „Bleibe“. Eine Frau mittleren Alters, von Beruf Lehrerin, besucht, bevor der alltägliche Unterricht für sie beginnt, ihren schwerkranken Mann im Krankenhaus usw.

    [s.o.]

    HAUPTTEIL

    Sie analysieren den Text unter besonderer Berücksichtigung des Kommunikationsverhaltens der beiden Hauptfiguren.

    Der Kranke, eine der beiden Hauptfiguren, wird als Erstes vorgestellt. Er leidet sichtlich unter den Folgen seiner schweren Krankheit – augenscheinlich an den Folgen eines Schlaganfalls (Z. 3–4: „Nichts regt[…] sich in seinem Gesicht, dessen rechte Seite schlaff herunter[hängt]“) –, starr und regungslos (Z. 6: „seltsam statuenhaft“) sitzt er im Krankenzimmer (Z. 11–12: „wie eine Nachahmung des lebendigen Originals in einem minderwertigen Material“). Die Darstellung wirkt dabei nicht überzeichnet, der Leser gewinnt den Eindruck, dass sie realen Verhältnissen entspricht. Der Mund des Kranken ist nicht eigentlich fähig zur Rede (Aphasie). Nur ein Wort dringt aus ihm hervor, es scheint der Frau, der zweiten Hauptfigur, zu gelten, welche zugleich die personale Erzählerin dieser traurigen Situationsgeschichte ist (vgl. Z. 14–16). Dieses Wort, welches der Leser bereits im Titel feststellt, ist das Schlüsselwort des Textes. An dieses Wort klammert sich die Hoffnung der Frau, dass ihr Partner das Sprechen wieder erlernen könne (vgl. Z. 30–31). Dieses Wort enthält alles, was im erzählten Jetzt von der Sprache des Mannes übrig geblieben ist.

    Die zeitlebens schwierige Kommunikation zwischen der Frau und ihrem Partner erweist sich darauf als das eigentliche Thema der Geschichte. Wenn der Leser die spärlichen Anhaltspunkte dazu zusammen nimmt, kommt er nicht umhin, an eine tiefe Beziehungskrise zu denken: Mit ihrer steten Liebe habe sie ihn dermaßen bedrängt, dass er sie „immer wieder verlassen“ (Z. 19) habe.

    [Noch zu ergänzen!]

    Sie untersuchen die dargestellte Situation vorwiegend unter kommunikationstheoretischen Aspekten.

    Fasst der Leser die Kommunikation im Krankenzimmer genauer ins Auge, findet er vor allem Watzlawicks erstes Axiom, dass man nicht nicht kommunizieren könne, eindrucksvoll bestätigt, ist doch aus der Äußerung des Mannes kaum etwas ableitbar. Und trotzdem nimmt die Frau, anders als der Arzt (vgl. Z. 39–44), die Position ein, dass der Kranke ihr etwas mitzuteilen habe.

    [Noch zu ergänzen!]

    Sie beschreiben Stilmittel, Erzählweise und erläutern deren Funktion. Sie beschreiben, was daran typisch für die Kurzgeschichte ist.

    Die Geschichte beginnt wie eine typische Kurzgeschichte, indem die Aufmerksamkeit des Lesers direkt auf das zentrale Problem der Krankengeschichte gelenkt wird.

    [Noch zu ergänzen!]

    SCHLUSS

    Sie formulieren ein Fazit, in dem die Ergebnisse der Analyse gesichtet und ausgewertet werden.

    [Noch zu ergänzen!]