Die Wahrheit durch ein Bild –

Methodenwissen: Analyse einer Parabel In den von Johann Gottfried Herder herausgegebenen jüdischen Parabeln steht die Fabel eines alten Mannes, dem spät abends auf einer Reise die Stadtmauern verschlossen bleiben und der darauf im Freien übernachten muss. Da fragt sich der Leser: Wie wird der Mann die Nacht überstehen? Jeder weiß doch, dass die Nacht Gefahren birgt. Jeder kennt dies aus den Sprichwörtern und Weisheiten, die jener Parabel zufolge von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben werden. Wer dies aber nicht weiß, dem hilft die Parabel selbst. Ein frommer Weiser kam vor eine Stadt, deren Tore geschlossen waren; niemand wollte […]

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Information und Argument

Analyse eines Sachtextes Wer sich Sachtexten zuwendet, muss informative von argumentativen Texten unterscheiden lernen. Dabei stellt sich langsam heraus, dass Informiert-sein bedeutet, etwas zu denken oder etwas zu sagen. Wer etwas denkt oder sagt, kann selbstverständlich auch schlecht informiert sein. Doch was gedacht oder gesagt wird, bildet sich als die Eigenart der Information heraus, im Unterschied zum Argument. Bei dem Argument nämlich wird dem, der es versteht, bewusst, dass er über etwas etwas denkt oder über etwas etwas sagt. Bei der Analyse von Argumenten kann also beobachtet werden, worüber jemand etwas denkt oder sagt, worüber jemand Annahmen macht – […]

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Die Katze ist überall zu finden

Kafkaeske Ironie Längst hat die Kafka-Forschung erkannt, dass Kafka durchaus witzig zu schreiben versteht. Kafkas Witz beruht gewöhnlich auf kühler Ironie. Was Kafkas Figuren sagen, klingt also verdächtig. Das Gesagte entspringt nicht der Wahrheit. Kleine Fabel „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich […]

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Kafkaeske Ironie

K. und die Frauen: Leni K. s Verwirrung infolge der Verhaftung zeigt sich zum Beispiel in dem unangemessenen Umgang mit Frauen, in dem Fehlen einer von der Vernunft geleiteten Schamkontrolle. Dieser Umgang hat zwei Typen: Die Frau ist für den hilflosen K. entweder Geliebte (Elsa, Leni, die Frau des Gerichtsdieners) oder Mutter (Frau Grubach). Im ersten Fall sind K.s psycho-soziale Probleme klarer sichtbar als im zweiten. Seine Unterwürfigkeit gegenüber der Geliebten spiegelt den Prozess seiner zunehmenden Depersonalisation wider. Er kann dem Schrecknis der Liebe nichts entgegensetzen. Der Erzähler verzichtet dabei nicht darauf, K.s Unterwürfigkeit als Schwäche bloßzustellen. Er gibt […]

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Lingua theodisca

Die Idee der gemeinsamen „deutschen“ Sprache Wenn im Folgenden von der Sprachentwicklung die Rede sein wird, dann soll die Sprache als Objekt betrachtet werden, an dem die geschichtliche Entwicklung sich vollzieht. Es wird weder um die Sprache als Spiegel der Geschichte gehen, in dessen Rahmen geschichtliche Veränderungen nachvollzogen werden können, noch um die Sprache als Medium der Geschichte. Historische Dokumente werden im Folgenden also nicht zu Grunde gelegt. Im Vordergrund steht, was sich aus der Sprache im Hinblick auf ihre Entwicklung ergibt. Die Sprache der Deutschen ist als Schriftsprache in fränkischer Zeit (751–814 n. Chr.) in Gebrauch gekommen. Was […]

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K. und die Frauen

1. Fräulein Bürstner Fräulein Bürstner, Josef K.s Zimmernachbarin, erweckt sein Interesse und bedeutet ihm Abwechslung in seinem infolge der Verhaftung halb und schal gewordenen Dasein. Im Verlauf ihrer Begegnung kommen K.s narzisstische Überlegenheitsgefühle hervor. K. glaubt Macht über Fräulein Bürstner ausüben zu können. Das erste Kapitel enthält ein Gespräch zwischen Josef K. und Fräulein Bürstner [Franz Kafka: Der Prozeß. Roman. Suhrkamp (st 3669): Berlin 6. Auflage 2012, 29,7–36,8]. K. drängt es danach, seiner Zimmernachbarin von den Umständen seiner Verhaftung zu erzählen. Er besteht darauf, die Verhaftung nachzuspielen, und rückt dafür sogar Fräulein Bürstners Nachttischchen von seinem Platz. Folgende Gliederung […]

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