Mendel Singer

Vom Glück des einfachen Mannes Glücklich sind die Zeiten, in denen die Geschichten ein gutes Ende nehmen. Glücklich sind die Zeiten, in denen die Menschen nach überstandenem Leid neu anfangen dürfen. Alles ist neu für sie und dennoch vertraut. So vollendet sich auch das Schicksal Mendel Singers, des einfachen Mannes, dieser dem biblischen Hiob nachgebildeten Figur aus Joseph Roths 1930 erschienenem Roman „Hiob“. Und die Schriftsteller? Liegt es nicht bei den Schriftstellern, dieses Glück nachzuzeichnen? Versteht es sich nicht von selbst, dass sie den Ursachen des Glückes nachgehen, mag es auch noch so bescheiden ausfallen wie im Fall des […]

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Die Telefone sterben aus

Oder: Wie Jugendliche kommunizieren – Das Internet bietet Informationen in einem Umfang, der vorher nie und nirgends vorstellbar gewesen ist. Es erzeugt zudem die Illusion, dass jedermann an dem Austausch dieser Informationen partizipieren könnte. Das Angebot ist verlockend. In den letzten Jahrzehnten ist ein Kommunikationssystem zweiten Grades entstanden, welchem die herkömmlichen Kommunikationsformen aus kommunikationstheoretischer Sicht kaum mehr zugeordnet werden können. Das Telefon ist zum Beispiel bei Jugendlichen laut den neuen Erhebungen des Instituts für Demoskopie Allensbach nicht mehr vonnöten. Auch der unmittelbare Austausch face to face geht offenbar zurück. Die Hauptsache scheint wohl, dass die Informationen fließen. Laut Allensbach […]

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Die Reportage

Aus dem Jahr 1929 stammt eine Bemerkung Siegfried Kracauers über den Stellenwert der Reportage in der Zeit der Weimarer Republik. Nicht zufällig ist dieser Bemerkung ein ironischer Unterton zu entnehmen. Ihr Gegenstand ist nämlich die Frage nach den Möglichkeiten realistischer Darstellungsweise. Auf der Suche nach dem „ungestellten Leben“ schreibt Kracauer: „Seit mehreren Jahren genießt in Deutschland die Reportage die Meistbegünstigung unter allen Darstellungsarten, da nur sie, so meint man, sich des ungestellten Lebens bemächtigen könne“ (Siegfried Kracauer: Schriften. Bd. 1. Frankfurt a. M. 1971, 216). Nichts liegt näher, als die Reportagen Egon Erwin Kischs, Joseph Roths, Heinrich Hausers, Alfred […]

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Fotografierte Realität?

Der Film am Anfang des 20. Jahrhunderts Von Anfang an ist der Film auch als Kunstform betrachtet worden. Zwar ist er schnell Massenware. Als der kinematographische Apparat nämlich 1898 in Frankreich konstruiert wird und bald darauf nach Amerika gelangt, stehen die gewinnlüsternen Dritten schon bereit. Das Medium verbreitet sich schnell. Die Masse interessiert sich zunächst für den Film als bewegtes Schauspiel, als fotografierte Jahrmarktssensation. Beliebt sind zum Beispiel die Schwindelgefühle, die durch den optischen Eindruck eines nach vorn fahrenden Zuges beim im Kinosessel ruhenden Zuschauer hervorgerufen werden. Natürlich ist so etwas nichts, was der Zuschauer deshalb schon als Kunst […]

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Besuch vom Lande –

K. und die Männer: Der Onkel Der Onkel tritt sicherlich an Josef K. heran, um ihm zu helfen. Der Onkel gehört zum erweiterten Familienkreis, ist K. aber dadurch besonders verbunden, da er dessen Vormund gewesen ist. Unter den Begriff des Vormunds – ursprünglich ein rein juristischer Begriff – wird vieles subsumiert. Im juristischen Sinn ist der Vormund dazu da, für die wirtschaftliche Sicherheit des Mündels zu sorgen. Er ist zur Stelle, so lange bis das Mündel für die wirtschaftliche Selbsterhaltung sorgen kann und damit „mündig“ wird. Im weiteren Zusammenhang ist der Vormund jedoch auch als Autoritätsperson, als Vater-Ersatz zur […]

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Strittige Sachverhalte

Analyse eines Sachtextes Bekanntlich werden argumentative von informativen Sachtexten unterschieden. Zwar ist die Unterscheidung missverständlich, insofern Argumente immer auch Informationen enthalten, aber sie ist nützlich. Denn argumentative Sachtexte beruhen nicht nur auf dem, was gesagt oder gedacht wird. Jeder argumentative Sachtext belegt, dass das, worüber er etwas mitteilt, strittig ist. In den allermeisten Fällen liegt es allerdings so, dass der strittige Sachverhalt nicht unmittelbar einsichtig ist. Die Streitfrage wird nicht deutlich herausgearbeitet, sodass die entsprechende Festlegung, deren Anspruch auf Wahrscheinlichkeit, Glaubwürdigkeit, Berechtigung u. dgl. bestritten wird, beliebig oder sprunghaft erscheint. Arbeitsanregung: Überlegen Sie, was in dem vorliegenden Text von […]

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