Die Reportage

Aus dem Jahr 1929 stammt eine Bemerkung Siegfried Kracauers über den Stellenwert der Reportage in der Zeit der Weimarer Republik. Nicht zufällig ist dieser Bemerkung ein ironischer Unterton zu entnehmen. Ihr Gegenstand ist nämlich die Frage nach den Möglichkeiten realistischer Darstellungsweise. Auf der Suche nach dem „ungestellten Leben“ schreibt Kracauer: „Seit mehreren Jahren genießt in Deutschland die Reportage die Meistbegünstigung unter allen Darstellungsarten, da nur sie, so meint man, sich des ungestellten Lebens bemächtigen könne“ (Siegfried Kracauer: Schriften. Bd. 1. Frankfurt a. M. 1971, 216). Nichts liegt näher, als die Reportagen Egon Erwin Kischs, Joseph Roths, Heinrich Hausers, Alfred Polgars und anderer im Lichte dieser Behauptung zu prüfen. Beantworten ihre Texte Kracauers Frage, ob die Reportage das wirkliche Leben abbilden kann?

Arbeitsanregungen:

  • Lesen Sie den folgenden Text. Nach welchen Kriterien wird hier die Reportage definiert?

„Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern, so verlässlich, wie sich eine Aussage geben lässt, – jedenfalls ist sie (für die Klarstellung) wichtiger als die geniale Rede des Staatsanwalts oder des Verteidigers. Selbst der schlechteste Reporter, – der, der übertreibt oder unverlässlich ist, leistet werktätige Arbeit, denn er ist von den Tatsachen abhängig, er hat sich Kenntnis von ihnen zu verschaffen, durch Augenschein, durch ein Gespräch, durch eine Beobachtung, eine Auskunft. Der gute braucht Erlebnisfähigkeit zu seinem Gewerbe, das er liebt. Er würde auch erleben, wenn er nicht darüber berichten müsste.“
Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter. Berlin 1930, 9.

  • Hören Sie den folgenden Beitrag des SRF. Erarbeiteten Sie ein Referat zum Thema „Joseph Roth als Journalist“.

Joseph Roth: Stadtfeuilletons aus Berlin