Lebhafter Grenzverkehr

Wie deutsch ist unsere Literatur?

  • Sachtextanalyse

Die Frage nach der deutschen Literatur hat mit der Frage nach der deutschen Sprache viel gemeinsam. Denn die Analyse der Sprachentwicklung hat gezeigt, dass die deutsche Sprache als Mischsprache zu verstehen sei und nicht als Sprache eines einzelnen Stammes. Auch für die deutsche Literatur verhält es sich so, dass kaum etwas sich in gerader Linie fortgesetzt hat. Deutsche Literatur als Literatur deutscher Nation findet sich, genau genommen, erst seit dem Januar 1871. Deutsche Literatur als Literatur der Deutschen dagegen lässt sich im 13. Jahrhundert und davor, im religiösen Bereich vor allem, in karolingischer Zeit schon nachweisen. Jahrhundertelang entsteht die deutsche Literatur jedoch in einem Gebiet, das in mehr als 300 Einzelstaaten auseinander fällt. Es ist daher leicht verständlich und historisch gesehen richtig, der deutschen Literatur „lebhaften Grenzverkehr“ zu attestieren.

In diesem Sinne argumentiert Ulrich Greiner in der vorliegenden Glosse über die Frage: Wie deutsch ist unsere Literatur? Ulrich Greiner sagt, dass die deutsche Literatur nicht einer einzelnen Nation zugeschlagen werden könne. Und er legt nahe, dass daher auch ein Luxemburger, der großartige Gedichte in deutscher Sprache schreibt, der deutschen Literatur zugerechnet werden dürfe. Die Glosse ist 2006 in der 51. Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter der Überschrift „Lebhafter Grenzverkehr – Wie deutsch ist unsere Literatur?“ erschienen.

Gliederung
Die Zeilennummerierung entspricht den Angaben im Oberstufenband (508–509).

  1. Schwierigkeiten bei der Anwendung des Begriffs „Deutsche Literatur“ (1–13)
  2. Der Begriff in weiter Auslegung (14–21)
  3. Deutsche Literatur außerhalb der Grenzen des deutschen Staates (22–46)
  4. Deutsche Literatur als grenzüberschreitendes Phänomen (47–62)
  5. „Deutsch“ im Sinne von: „zum Volke gehörig“ – ein kontaminierter Begriff (63–69).

Der Begriff „Deutsche Literatur“ ist kein Tabu, doch mit Vorsicht zu gebrauchen. Die Folgen einer „unbedachte[n]“ (3) Verwendung des Begriffs sind leicht ersichtlich: Kränkung des Nationalgefühls und verständliche Empörung. Der Autor der vorliegenden Glosse führt dafür zwei prominente Beispiele an. So komme es vor, dass der österreichische Autor Peter Handke und der schweizerische Autor Max Frisch als „deutsche Schriftsteller“ bezeichnet würden. Greiner betont, dass „[k]aum etwas […] verständige Leser mehr auf die Palme […] bring[e]“ (1–6). Trotzdem gibt Greiner zu bedenken: „Frisch und Handke schreiben oder schrieben deutsch“ (12–13).

Im Folgenden (14–21) gibt der Autor die Einschätzung des Schriftstellers Navid Kermani wieder. Vermutlich möchte Greiner sich auf eine in diesem Kontext unverdächtige Autorität berufen. Kermanis Herkunft von „iranische[n] Eltern“ (15) wird ausdrücklich hervorgehoben, als Indiz für seine Integrität.

Arbeitsanregung:

  • Verfassen Sie eine vollständige Analyse.
  • Bestimmen Sie, welche Argumenttypen Greiner in dem vorliegenden Text verwendet.

Argumenttypen