Kommunikation I

Kommunikation ist Übersetzung

Kommunikation ist im Wesentlichen Übersetzung. Das betrifft nicht nur die Übersetzung aus einer Fremdsprache in die eigene Sprache. Das betrifft auch die Übersetzung der aus menschlicher Perspektive unvollkommenen Mitteilung einer Schildkröte, die spazieren zu führen um 1840 in Paris Mode gewesen sein soll. Nehmen wir an, die Schildkröten besäßen die Fähigkeit, komplexer als bisher angenommen untereinander kommunizieren zu können. Darwin sah sie als Geschöpfe der Vorzeit an, und dass man sie für taub gehalten hat, sei für ihn nicht verwunderlich. So hätten die Schildkröten, die er auf den Galapagosinseln erkundet habe, regelmäßig zu seinem Ergötzen wie unvermittelt gefaucht, wenn ein Mensch, sie von hinten ruhigen Schrittes überholend, seitlich in ihr Blickfeld getreten sei. Laut Darwin beschränkt sich die Skala der den Schildkröten eigentümlichen Sprache auf Zischen, Fauchen, Brüllen und Blöken. Wären die Ohren des Forschers doch nur empfänglich gewesen für Schallwellen aus tieferen Bereichen! Nehmen wir an, der Mann in der Menge der Passanten von Paris, der die Schildkröte spazieren führt, sei sozusagen ein besonders guter Aufnahmeapparat für Schildkrötenäußerungen. Er hebt sich ab von der Menge, weil er gemächlicher geht, indem er „flaniert“. Was aber hilft es der Schildkröte, dass sie und der Flaneur ein für die sonstigen Passanten gänzlich unverständliches System der Kommunikation unterhalten? Sicher, die Schildkröte „spricht“ gewissermaßen nur unter der Voraussetzung, dass es ihr gelingt, Gehör zu finden, in einer Stadt, in der ihr alle Sprachen fremd sind. Könnten ihre Äußerungen also von jenem begabten Müßiggänger, der die Leine führt, übersetzt werden? Anhand welcher Grammatik denn? Im weitesten Sinne vielleicht –

Die Pointe dieser bizarren Vorstellung, dass die Schildkröte und der Flaneur in Paris für Aufsehen sorgen, besteht in der erbarmungswürdigen Einsamkeit des Tieres; denn wem sollten seine Mitteilungen gelten? Nicht einmal der, der sich an den Schritt seiner Begleiterin angepasst hat, der die Nuancierungen ihres Zischens, Fauchens, Brüllens und Blökens kennt, kann sich um die verborgene Bedeutung ihrer Mitteilung kümmern. Nur eine Übersetzung kann er liefern, keinerlei Erkenntnis.


Arbeitsanregungen:

Gestalten Sie solche Art der Kommunikation zunächst

  • mithilfe einer pantomimischen Übung, bei der der erforderliche Abstand von 1,5 m gewahrt bleibt,
  • anhand einer Kurzgeschichte:
  • die Kommunikation mit einem Kaninchen, die Kommunikation mit einer Katze, einem Hund, eine Ameise…

Wichtig ist bei dieser Übung, dass die anderen nicht die Schwierigkeiten innerhalb der Kommunikation erkennen, sondern im Ansatz begreifen, wie die Kommunikation zwischen Mensch und Tier prinzipiell gelingen könnte.