Wasserleichen

Zur Darstellung der Wasserleiche in der expressionistischen Literatur Es gab einen expressionistischen Affekt. Aus ihm formte sich der Kampf gegen Wissenschaftsdenken, Fortschrittsoptimismus, Bürokratie und wilhelminischen Geist. Nietzsche hatte es vorausgesehen: Die Deutschen brauchten die Konfrontation mit der eigenen Schwäche. Diese Erfahrung wirkte in ihrer Kraft tiefer und mächtiger als die Erinnerung an ein Subjekt, das mit seinen Idealen ins Dasein tritt und mit ihnen wieder daraus verschwindet. Im Expressionismus bekam die „Psychopathographik“ der Deutschen eine Stimme (vgl. Walter Müller-Seidel: Wissenschaftskritik und literarische Moderne. In: Die Modernität des Expressionismus, hrsg. von Thomas Anz und Michael Stark. J. B. Metzler Verlag: […]

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Das Problem des sprachlichen Determinismus

Zum Verhältnis von Sprache und Denken Die Frage nach dem Problem des sprachlichen Determinismus setzt ein bei dem Verhältnis des Menschen zu seiner Sprache als der Kardinalfrage menschlicher Existenz. Wir sind geneigt, dieses Verhältnis unter den Aspekten einer hartnäckig sich haltenden Abbild- oder Widerspiegelungstheorie zu sehen. Danach bildet der menschliche Geist die Form der Gegenstände und Sachverhalte der Welt ab, die Sprache wiederum spiegelt die distinkten Ideen des Verstandes wider. Mit Descartes’ Formel, dass die sprachlichen Ausdrücke Bilder des Verstandes („velut picturae“, Anm. 1) seien, ergibt sich der Zwang, dass das, was selbst Bedingung und Voraussetzung des Denkens ist, […]

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Humboldt: Der Doppelbegriff des Sprachorgans

Wilhelm von Humboldt: Von der Natur der Sprache und ihrer Beziehung auf den Menschen im Allgemeinen In der Diskussion über das Verhältnis von Sprache und Denken wirkt die Rede von einem Sprachorgan wie eine kühne, starke Metapher, behauptet die Rede doch, dass die Sprache das Denken organisieren könne. Kann sie es, um einen Ausdruck der EDV zu verwenden, auch „formatieren“? Aus der Luft gegriffen ist der Doppelbegriff nicht, denn das Denken braucht das Organ der Sprache, wie der Atem die Lunge, um physisch wahrnehmbar zu werden. Allerdings ruft der Begriff unerwünschte Doppeleffekte hervor. Dient Sprache als Organ wirklich dazu, […]

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Das Problem des „Sprachursprungs“

Sprache als Affektausdruck In der Geschichte der Sprachphilosophie konzentriert sich dieses Problem auf die Frage, ob es eine Sprache außerhalb der Erkenntnis gebe und wie es um das Verhältnis von Erkenntnis und Sprache bestellt sei. Der Begriff der Sprache geht daher bei den meisten Autoren über den eigentlichen Begriff der Sprache als Mittel der Erkenntnis hinaus. Er erstreckt sich auch auf die Innerlichkeit des Menschen, auf die Spontaneität des Gefühls und des Willens. Der sprachliche Ausdruck erwächst aus der Emotion, aus Lust und Unlust, aus sozialen Beziehungen – die der Sprecher verwünscht, wenn sie langweilig sind. So setzt es […]

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Fremd bin ich eingezogen

Christoph W. Bauers Sonett „fremd bin ich eingezogen unter meine Haut“ Die Innenperspektive, die Expedition ins Ich, kann der perspektivischen Verzerrung wegen zum erhofften Glück nicht führen. Die Außenperspektive, indem sie das Ich als Ganzes wahrnehmen lässt, verschafft nicht das Glück des Erlebens. Die Selbsterforschung, wie es im folgenden Gedicht angedeutet wird, bleibt daher fragwürdig. Nicht von ungefähr behält das lyrische Ich den Ausgang im Blick, hinter dem ein neues Glücksversprechen, eine mögliche Heimat liegen könnte. Die Vorlage aus Wilhelm Müllers 1823 erschienenen Gedichtzyklus „Winterreise“, von Franz Schubert einfühlsam mit abwärts führender Melodiestimme vertont, wurde als Muster der melancholischen […]

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Einladung zur Reise

Meine schwester mein kind! Denk dir wie lind Wär es dorthin zu entweichen! Liebend nur sehn · Liebend vergehn In ländern die dir gleichen! Der sonnen feucht Verhülltes geleucht Die mir so rätselhaft scheinen Wie selber du bist Wie dein auge voll list Das glitzert mitten im weinen. Dort wo alles friedlich lacht – Lust und heiterkeit und pracht. Die möbel geziert Durch die jahre poliert Ständen in deinem zimmer Und blumen zart Von seltenster art In ambraduft und flimmer. Die decken weit Die spiegel breit In Ostens prunkgemache Sie redeten dir Geheimnisvoll hier Die süsse heimatsprache. Dort wo […]

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Eifersucht

Hartmut Lange: Das Haus in der Dorotheenstraße. Die intertextuelle Bezugnahme auf das Eifersuchtsdrama „Othello“ Shakespeares Stücke sind wesentlich Theater-Spiele, und zwar nicht nur dadurch, dass sie auf der Bühne gegeben werden. Spielerisch und humorvoll sind sie bereits als Texte, auch die Tragödien, weil sie frei vom Stofflichen sind. So entsteht ein Spiel-Raum, in den auch der Leser oder Zuschauer, der ohne größere Vorkenntnisse ist, einbezogen wird. Das erlaubt auch Gottfried Klausen, dem Protagonisten aus Hartmut Langes Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“, die Grenzen seiner Welt, der Welt der „Fakten und deren Nachweisbarkeit“ (Hartmut Lange: Das Haus in der […]

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