Bei deiner Kuh

Bei deiner Kuh hast du Fried’ und Ruh. Die Natur schiebt der Sprache den Riegel vor. Warum also sollte die Kuh die Sprache gegen die Sprache gebrauchen?    Von der Wende zur literarischen Moderne ist die Rede, seit die Sprache für die Literaten an Bedeutung verliert. Insbesondere Schriftsteller der Dekadenz wie Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) halten daran fest, dass die Sprache nichts mehr tauge. Für ihn will das heißen, dass sie auf ihre kommunikative Rolle eingeschränkt worden ist. Dass die Sprache „so abgegriffen wie schlechte Münzen [sei]“ (Hugo von Hofmannsthal, GW X 413 [Aufzeichnungen 1896]), will sagen, dass sie, […]

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Schöner grübeln

Der Elefant verließ an diesem Tage gar nicht mehr das Gehege. Gegen Abend ging er in den Gang, der auf das Becken der Kraniche hinausläuft, und sah auf das Wasser. Aus irgendeinem Grund hatte der Dickhäuter Geschmack am Grübeln gefunden. Den Besuchern gefiel es, ihn dabei anzustarren. Es hatte eine erhebende Wirkung, wie man hörte, wenn der Elefant, den Zusammenhang zwischen Kopf und Rüssel begreifend, seltsame Zeichen in den Sand schrieb. Wenn der Wärter seinen Kopf streichelte, hielt er inne und flüsterte mit dem Elefanten, dass er alles kenne, dass er ihn verstehe.

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Neben der Spur

Philosophie des Standortes Was Berlin für ihn war, war schwer auszusprechen. Niko zündete sich eine Zigarette an. Der Toaster diente als Feuerzeug.  Für Niko selbstverständlich: eigene Wohnung, eigenes Geld, Kaffee, Zigaretten. Nur manchmal stöhnte er über die Preise. Die Philosophie ist eine sehr alte Wissenschaft. Sie bezeichnet zunächst den Punkt, an dem unsere Lebenslinie vom Unendlichen durchschnitten wird. Die Philosophie legt dem Leben damit eine neue Bedeutung unter, indem sie die Bemühung darstellt, diesen Punkt zu erhellen. Die Philosophie als das Wissen über diesen Punkt steht also über oder neben dem unmittelbaren Dasein. Wer philosophiert, schließt das dem Leben […]

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Vom Ursprung der Sprache

Condillac Die Sprachursprungsfrage ist Sinnbild dafür, dass das Bewusstsein für die Totalität der Geschichte erwacht. Die dem Menschen immanente Geschichte, die Anschauung, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte habe, von der Wiege bis zur Bahre, ist damit zum Problem geworden. Es wäre interessant zu untersuchen, inwieweit die Sprachphilosophen der Aufklärung (Condillac, Süßmilch, Herder) sich dieses Problems bewusst waren. Das „Lexikon der Aufklärung“ hält fest: „Geschichtsphilosophie im modernen Sinne des Wortes, nämlich als systematische Theorie vom Wesen und Verlauf der Geschichte, ist ein Produkt der angeblich geschichtsfeindlichen Aufklärung; auch der Ausdruck Geschichtsphilosophie scheint erst im 18. Jahrhundert geprägt worden zu […]

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Die Wahrheit der Namen

Das Besondere an der φύσει-Theorie ist die Annahme, dass die Dinge, die in der Welt vorkommen, und die Sprache einander entsprechen können. Es geht dabei um die Richtigkeit der Sprache bzw. Namen, die Zuordnung der Namen zu den bezeichneten Dingen kann, so lautet die Annahme, natürlich motiviert sein. Dies beweise die Etymologie gewisser Wörter, was aus den folgenden Beispielen hervorgeht. 1. Name bzw. Bezeichnung: Mama < frz. maman vgl. lat. mamma (Mutterbrust; Amme), griech. μάμμη Lallwort der Kindersprache Bedeutung bzw. Vorstellungsgehalt „Essen“ 2. Name bzw. Bezeichnung: Feuer < ahd. fiur vgl. lat. purus (rein), griech. πῦρ Bedeutung bzw. Vorstellungsgehalt […]

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Die Sprache

Prinzipien der Sprachtheorie Der Gegenstand der Sprachtheorie wird traditionell in zwei Bereiche aufgeteilt, in den der θέσει und in den der φύσει. Die Sprache ist demzufolge unvollkommen, weder stellt sie ein einheitliches Wesen dar, noch vermittelt sie eine einheitliche Erkenntnis. Der θέσει (griech. „Gesetzgebung; Konvention“) nach ist sie reine Willkür. Die Dinge, die ja für sich genommen „stumm“ sind, können mit diesem oder mit jenem Laut bezeichnet werden. Der Stubenfliege ist der sprachliche Laut versagt, sie teilt ihr Wesen nicht unmittelbar und bewusst mit. Allerdings ist ihr Wesen zu sehen. Doch davon kann nur an anderem Ort die Rede […]

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Lingua theodisca

Die Idee der gemeinsamen „deutschen“ Sprache Wenn im Folgenden von der Sprachentwicklung die Rede sein wird, dann soll die Sprache als Objekt betrachtet werden, an dem die geschichtliche Entwicklung sich vollzieht. Es wird weder um die Sprache als Spiegel der Geschichte gehen, in dessen Rahmen geschichtliche Veränderungen nachvollzogen werden können, noch um die Sprache als Medium der Geschichte. Historische Dokumente werden im Folgenden also nicht zu Grunde gelegt. Im Vordergrund steht, was sich aus der Sprache im Hinblick auf ihre Entwicklung ergibt. Die Sprache der Deutschen ist als Schriftsprache in fränkischer Zeit (751–814 n. Chr.) in Gebrauch gekommen. Was […]

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