Schürzung des Knotens

Goethe: Iphigenie auf Tauris, II, 2 Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ gilt als klassisches Humanitätsdrama. Iphigenie verkörpert, was auszufüllen kein einzelner Mensch imstande ist: die „reine Menschlichkeit“, wie Goethe selbst, nicht ohne Selbstkritik, im Hinblick auf dieses Drama bemerkt. In der vorliegenden Szene (II, 2) wird Iphigenie mit einem der beiden Gefangenen konfrontiert. Es handelt sich um ihren Cousin Pylades, den Gefährten ihres Bruders, der von Iphigenie jedoch nicht erkannt wird. Die Priesterin nimmt dem Gefangenen die Fesseln ab. Hierauf kommt es zu einem folgenreichen Gespräch zwischen der Priesterin und dem Fremden. Iphigenie erfährt, dass Troja zerstört worden ist. […]

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Eine Frage der Ehre

Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama Einige Schwierigkeiten bereitet die Frage nach dem Thema des kleistschen Schauspiels „Prinz Friedrich von Homburg“. Zum Vergleich: Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ gilt als klassisches Humanitätsdrama. Es erscheint jedoch unangebracht, Gleiches von Kleists Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“ zu behaupten. Keine der beteiligten Figuren entwickelt sich in dieser Richtung. Das Gnadenangebot des Kurfürsten stellt in dieser Beziehung keine Ausnahme dar, stellt es doch den Prinzen in unmenschlicher Weise auf die Probe. Vielmehr liegt es nahe, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama aufzufassen. Das Drama nimmt demnach eine Wende, als der Prinz […]

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Der Fall Woyzeck:

Mord als Sündenstrafe? Georg Büchner illustriert am Beispiel einer Kriminalgeschichte die Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland. Das Drama mit dem Titel „Woyzeck“ ist nach dem Vorbild eines historischen Kriminalfalls aus dem Jahr 1834 entstanden. Das Drama, das aufgrund von Büchners frühem Tod unvollendet geblieben ist, zählt zu den bedeutendsten Texten des Vormärz. Der Fall gestaltet sich kurz gesagt folgendermaßen: Marie Zickwolf, eine Frau aus der untersten Schicht, wird von ihrem Geliebten, dem Gefreiten Franz Woyzeck, erstochen, weil sie ihn mit einem Offizier, einem Tambourmajor, betrogen hat. Die Untreue der Geliebten ist für Woyzeck Grund genug, sie zu bestrafen. […]

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Des Menschen Wille ist sein Himmelreich

Prinz Friedrich von Homburg Für viele ist bereits das morgendliche Aufstehen Ausdruck des guten Willens. Frühaufsteher haben ihn gewiss in anderer Hinsicht nötig. Ohne den guten Willen verfehlen Vorsätze ihre Wirkung, verliert die Reue ihren Wert. Der gute Wille bildet schließlich den Charakter des Menschen. Heinrich von Kleist übernimmt diesen kantischen Gedanken in dem Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“. Kleist scheint in dem Prinzen Charakterbildung demonstrieren zu wollen. Ist das Schauspiel daher als Erziehungsdrama zu betrachten? Dieser Vorstellung folgend wäre der Kurfürst der Erzieher des Prinzen und der Prinz durch den Herrscher zur Reife gelangt. Die vermeintliche Erziehung des […]

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Das Drama der Romantik

Die offene Dramenform als Kompositionsprinzip Die von Schiller und Goethe bevorzugte geschlossene Form des Dramas löst sich bei Kleist wieder auf. Die Einheit des Orts, der Zeit und der Handlung ist nicht bei allen seinen Dramen die Regel. Kleists Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“ spielt an mehreren Orten, sein Trauerspiel „Penthesilea“ kommt überhaupt, von einem „Hügel“ (22. Auftritt) einmal abgesehen, ohne Ortsangaben aus. Mehr als 30 Figuren treten im Schauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“ auf die Bühne, mehr als 30 im Drama „Die Hermannsschlacht“, des Weiteren in demselben Drama Menschenmengen wie das Römerheer oder das Heer der Cherusker. Sind […]

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Was wäre, wenn die Götter zu Staub zerfielen?

Iphigenies Konflikt mit den Göttern Die Aufklärung, vor allem in Frankreich, ist religionskritisch. Männer wie Descartes sind von dem festen Vorsatz bestimmt, alles von Grund auf anzuzweifeln und umzustürzen. Was wäre, wenn die Götter nicht existierten, wenn auch der christliche Gott zu Staub zerfiele? Hatten nicht bereits die von den Aufklärern bewunderten Schriftsteller der Antike ihr Misstrauen gegenüber der Religion geäußert? War Cicero zum Beispiel nicht davon überzeugt, dass die Religion der Philosophen („religio philosophorum“) nichts mit der Religion der Masse („religio vulgi“) gemein habe? Goethe übernimmt diese Gedanken in dem Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“. Zunehmend wird Iphigenie sich […]

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