Eine Frage der Ehre

Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama

Einige Schwierigkeiten bereitet die Frage nach dem Thema des kleistschen Schauspiels „Prinz Friedrich von Homburg“. Zum Vergleich: Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ gilt als klassisches Humanitätsdrama. Es erscheint jedoch unangebracht, Gleiches von Kleists Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“ zu behaupten. Keine der beteiligten Figuren entwickelt sich in dieser Richtung. Das Gnadenangebot des Kurfürsten stellt in dieser Beziehung keine Ausnahme dar, stellt es doch den Prinzen in unmenschlicher Weise auf die Probe. Vielmehr liegt es nahe, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ als Pflichtendrama aufzufassen. Das Drama nimmt demnach eine Wende, als der Prinz den Brief des Kurfürsten erhält, dessen Inhalt begreift und sich in seiner Ehre getroffen sieht:

    „Ich will ihm, der so würdig vor mir steht,
    Nicht, ein Unwürdger, gegenüber stehn!
    Schuld ruht, bedeutende, mir auf der Brust,
    Wie ich es wohl erkenne; kann er mir
    Vergeben nur, wenn ich mit ihm drum streite,
    So mag ich nichts von seiner Gnade wissen“ (V. 1380–1385).

Indem der Prinz das Gnadenangebot ausschlägt, ist er bereit, seine Pflicht zu tun, jedoch nicht um der Pflicht selbst willen, sondern um seine Ehre zu retten, aus subjektiven, nicht verallgemeinerbaren Gründen also.

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