Schauspieler verkörpern Sprechakte

Anmerkungen zu Brechts „Leben des Galilei“ Dass der Deutschunterricht den Schauspieler thematisiert, ist ungewöhnlich. Ungewöhnlicher ist, dass er so wenig berücksichtigt wird. Nirgendwo sonst ist so von der Nachahmung die Rede, und die Nachahmung spielt in der Schule eine große Rolle. Die Schauspieler sind vor allem Träger der Handlung, was an den englischen Ausdrücken „actress“, „actor“ deutlich wird. Sie müssen nicht Menschen nachahmen. Sie könnten auch Tiere nachahmen. Selbst im Tier auf der Bühne begegneten uns dann nachgestellte Handlungen, in sich reflektierte Handlungseinheiten, die die verkörpernde Person im Tierkostüm überdeckten. Diese in sich reflektierten Handlungseinheiten werden von den Schauspielern […]

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Eifersucht

Hartmut Lange: Das Haus in der Dorotheenstraße. Die intertextuelle Bezugnahme auf das Eifersuchtsdrama „Othello“ Shakespeares Stücke sind wesentlich Theater-Spiele, und zwar nicht nur dadurch, dass sie auf der Bühne gegeben werden. Spielerisch und humorvoll sind sie bereits als Texte, auch die Tragödien, weil sie frei vom Stofflichen sind. So entsteht ein Spiel-Raum, in den auch der Leser oder Zuschauer, der ohne größere Vorkenntnisse ist, einbezogen wird. Das erlaubt auch Gottfried Klausen, dem Protagonisten aus Hartmut Langes Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“, die Grenzen seiner Welt, der Welt der „Fakten und deren Nachweisbarkeit“ (Hartmut Lange: Das Haus in der […]

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Brechts Philosophie der Liebe

Zur Darstellung der Liebe im Parabelstück „Der gute Mensch von Sezuan“ Die möglichen Begriffe von Wahrheit, die im Zusammenhang mit der Liebe ins Spiel kommen, sind sehr unterschiedlich. Wenn es heißt, dass wahre Liebe nur in poetischen Bildern ausgedrückt werden könne, dann steht damit ein anderer Begriff von Wahrheit auf dem Prüfstand als bei der Aussage, dass Wahrheit stärker als Lüge sei. Während die Wahrheit im Sinne wissenschaftlicher Forschung der Lüge nämlich eine Grenze setzt – und damit die Wirklichkeit auf Gesetze und Ausgangsbedingungen zurückführt – schlägt die Liebe hinsichtlich der Lüge eine andere Richtung ein. „Wahre Liebe“, was […]

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The fault is not in our stars

Die Schuld des Tempelherrn im Drama „Nathan der Weise“ Was bedeutet die Frage nach der Schuld im Zusammenhang des vorliegenden Dramas? Die Frage nach der Schuld des Tempelherrn beispielsweise wirft außer der Beteiligung am Kreuzzug noch weitere Fragen auf. Insbesondere ist die Frage nach der Art der Schuld zu erörtern und zu klären, wie viel ihm selbst davon anzulasten ist. Der Titel dieser Überlegungen bezieht sich übrigens auf ein Shakespeare-Zitat. Im Drama „Julius Caesar“ heißt es: „The fault, dear Brutus, is not in our stars, / But in ourselves, that we are underlings. – Nicht durch die Schuld der […]

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Kritik des naiven Optimismus

Nathans Erziehungsauftrag Mehr als zwanzig Jahre vor dem Erscheinen des „Nathan“ (1779) bebte in Lissabon die Erde. In der Nacht vom 1. November 1755 kamen 30.000, nach manchen Zählungen 60.000 Menschen ums Leben. Voltaire knüpfte an seinen Eindruck von der „Mutter aller Katastrophen“ den Gedanken, dass naiver Optimismus nicht mehr zulässig sei. Betrogene Philosophen – schreibt Voltaire in seinem „Poème sur le désastre de Lisbonne“ – die riefen: Alles ist gut! („Tout est bien“). Der Glaube an Gottes Gesetz und Vorsehung wurde einer kritischen Prüfung unterzogen. Lessing schloss sich Voltaire an: Auch für ihn hatte infolge der Debatten über […]

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„Faust“ in Thesen

Erste These: Der „Faust“ liegt nicht als abgeschlossenes Werk vor. Der Dichter verweist darauf bereits in der „Zueignung“, dem ersten „Portal“ der Dichtung. Er kann die Geister, die er als jugendlicher Dichter rief, nicht beschwören („Was ich besitze, seh’ ich wie im Weiten“, V. 31); der alte Dichter erkennt den vergeblichen „Wahn“ in dem Versuch, Figuren von der Größe Fausts festzuhalten (vgl. V. 3–4). Mit jedem weiteren „Portal“ – insgesamt sind es drei: „Zueignung“, „Vorspiel auf dem Theater“, „Prolog im Himmel“ – wagt sich der Dichter von Neuem an die Frage, worin denn die Wahrheit des Werkes besteht, das […]

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Susanna Margaretha Brandt

Zum Einhorn Vor dem Fenster waren waagerechte Brettchen angebracht, die Blumentöpfchen darauf konnten Wasser gebrauchen. Vorsorglich bückte ich mich, um leicht in das Innere der Küche zu kommen. Vor mir auf dem Tisch lag ein Kreuz, hinter dem ein farbloses Sträußchen klemmte, über der Eckbank hing ein blaues Tuch, das sie gewöhnlich um die Schultern trug. Ich glaubte, Susanna zu hören. Ich kannte sie, es war Susanna Margaretha Brandt, genannt Susann, Magd in der Herberge „Zum Einhorn“. Wir waren dann in allen Zimmern, stiegen sogar die Stiege hinauf – in allen Zimmern, abgesehen von der Waschküche. Das Kind sei […]

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