Kafkas Kippfiguren

Kafkas Figurengestaltung im Roman „Der Prozess“ Die Erzählperspektive bildet die conditio sine qua non. Nicht das Wissen über die Inhalte von Kafkas Roman „Der Prozess“, sondern das Wissen über die Verzerrung der Inhalte, die durch diese Perspektive bedingt ist, verschafft einen Zugang zum Gesetz und damit zur Schuld des Protagonisten. Das Tor zum Gesetz wird nicht durch festes Mauerwerk begrenzt, sondern durch den von der jeweiligen Perspektive bestimmten psychischen Raum. Wenn das Tor dem „Mann vom Lande“ verschlossen erscheint, durch übermächtige Wächter ausgefüllt, dann wird keiner mehr zugelassen. Die Wächter, deren es viele in diesem Roman gibt, haben sich […]

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Der Kaiser ist tot!

Franz Kafka: Eine kaiserliche Botschaft   Der Raum selbst – als Bedingung der Möglichkeit der sinnlichen Erscheinung – mag wirkungslos sein. Er ist dennoch zu durchmessen. In Kafkas Erzählung „Eine kaiserliche Botschaft“ – als selbstständiges Prosastück aus der Erzählung „Beim Bau der chinesischen Mauer“ herausgelöst und im Buch „Ein Landarzt“ veröffentlicht – gibt es bestimmte Räume, die den Kaiser vom Empfänger der Botschaft trennen. Es gibt die hinderliche Menge, es gibt Treppen, es gibt unzählige Höfe. Es ist das „überlieferte“ Wort, das der Bote zu überbringen hat. Der Kaiser stirbt, als der Bote sich auf den Weg macht. Welcher […]

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Eine Laubsägearbeit

Gregor Samsa: Das vereinsamte Kind Gregor Samsa hat, so erfahren wir, die Gepflogenheit, sein Zimmer des Nachts abzuschließen. Er kenne dies von den Hotels her, die er als Reisender benutzt. Der Leser erkennt deutlich, dass dieses Eingesperrtsein aus Prinzip erfolgt, zum Schutz des völlig Übermüdeten vor überraschenden Eindringlingen. Nun, als die Familie und der Prokurist aufkreuzen, profitiert er von dieser Vorsichtsmaßnahme. Es ist ein kleines Zimmer. Wie ist die Laubsägearbeit auf dem Tisch zu denken, die einen „hübschen, vergoldeten Rahmen“ für das Bild der Dame im Pelz ergibt? Sie ähnelt eher dem Werk eines Kindes als dem eines Erwachsenen. […]

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Kafkas Raumrevolution

Kleine Fabel „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie. Immer schon ist der Raum bei Kafka Thema. Die Maus, eine der bekanntesten Tierfiguren Kafkas, ist zunächst glücklich darüber, dass […]

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Flieger waren über der Stadt –

Die Eröffnung von „Tauben im Gras“ EINLEITUNG Sie informieren den Leser über den Textauszug, indem Sie Textgattung, Titel, Autor, Erscheinungsjahr und Epochenzugehörigkeit des übergeordneten Textes benennen, den Inhalt und die Thematik des vorliegenden Auszugs beschreiben. Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“ schließt ebenso düster, wie er beginnt. Im Folgenden soll die kunstvoll ausgeführte Ouvertüre untersucht werden. Sie nimmt das Ende vorweg und weitere zentrale Themen und Aspekte des Romans – wie die Verzweiflung des schriftstellernden Helden, Philipp genannt, und die Abgründigkeit der Welt- und Schicksalszeit, die auszuhalten alle Figuren der Handlung genötigt sind. Was die Thematik der Ouvertüre selbst […]

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Die Katze ist überall zu finden

Kafkaeske Ironie Längst hat die Kafka-Forschung erkannt, dass Kafka durchaus witzig zu schreiben versteht. Kafkas Witz beruht gewöhnlich auf kühler Ironie. Was Kafkas Figuren sagen, klingt also verdächtig. Das Gesagte entspringt nicht der Wahrheit. Kleine Fabel „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich […]

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Kafkaeske Ironie

K. und die Frauen: Leni K. s Verwirrung infolge der Verhaftung zeigt sich zum Beispiel in dem unangemessenen Umgang mit Frauen, in dem Fehlen einer von der Vernunft geleiteten Schamkontrolle. Dieser Umgang hat zwei Typen: Die Frau ist für den hilflosen K. entweder Geliebte (Elsa, Leni, die Frau des Gerichtsdieners) oder Mutter (Frau Grubach). Im ersten Fall sind K.s psycho-soziale Probleme klarer sichtbar als im zweiten. Seine Unterwürfigkeit gegenüber der Geliebten spiegelt den Prozess seiner zunehmenden Depersonalisation wider. Er kann dem Schrecknis der Liebe nichts entgegensetzen. Der Erzähler verzichtet dabei nicht darauf, K.s Unterwürfigkeit als Schwäche bloßzustellen. Er gibt […]

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