Wasserleichen

Zur Darstellung der Wasserleiche in der expressionistischen Literatur Es gab einen expressionistischen Affekt. Aus ihm formte sich der Kampf gegen Wissenschaftsdenken, Fortschrittsoptimismus, Bürokratie und wilhelminischen Geist. Nietzsche hatte es vorausgesehen: Die Deutschen brauchten die Konfrontation mit der eigenen Schwäche. Diese Erfahrung wirkte in ihrer Kraft tiefer und mächtiger als die Erinnerung an ein Subjekt, das mit seinen Idealen ins Dasein tritt und mit ihnen wieder daraus verschwindet. Im Expressionismus bekam die „Psychopathographik“ der Deutschen eine Stimme (vgl. Walter Müller-Seidel: Wissenschaftskritik und literarische Moderne. In: Die Modernität des Expressionismus, hrsg. von Thomas Anz und Michael Stark. J. B. Metzler Verlag: […]

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Fremd bin ich eingezogen

Christoph W. Bauers Sonett „fremd bin ich eingezogen unter meine Haut“ Die Innenperspektive, die Expedition ins Ich, kann der perspektivischen Verzerrung wegen zum erhofften Glück nicht führen. Die Außenperspektive, indem sie das Ich als Ganzes wahrnehmen lässt, verschafft nicht das Glück des Erlebens. Die Selbsterforschung, wie es im folgenden Gedicht angedeutet wird, bleibt daher fragwürdig. Nicht von ungefähr behält das lyrische Ich den Ausgang im Blick, hinter dem ein neues Glücksversprechen, eine mögliche Heimat liegen könnte. Die Vorlage aus Wilhelm Müllers 1823 erschienenen Gedichtzyklus „Winterreise“, von Franz Schubert einfühlsam mit abwärts führender Melodiestimme vertont, wurde als Muster der melancholischen […]

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Pilgerlied

Der Himmel als Landkarte des Pilgers Als unwidersprochen im Hinblick auf den Barock gilt die Behauptung, dass die Kirche in dieser Epoche wieder zu Kräften gekommen sei. Die Weite des Sternenhimmels sei nach dem Ende der konfessionellen Kriege wieder über das Bewusstsein der Gläubigen gezogen. Darum finde seine Nachbildung sich so oft auf den Decken barocker Kirchen, intensiv leuchtend. Auch das vorliegende Gedicht, Sigmund von Birkens „Pilgerlied“ aus dem Jahr 1652, erscheint als logische Konsequenz dieser Ausweitung des Himmels. Meine These ist, dass dieses Gedicht nicht ohne die Problematik des wieder zu Kräften gekommenen, mystischen Sternenhimmels begriffen werden kann. […]

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Abschied

Joseph von Eichendorff: Abschied O Täler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächt’ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäft’ge Welt, Schlag noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen, In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben, Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Tun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte, schlicht und wahr, […]

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Das unendliche Gedächtnis der Liebe –

Clemens Brentano: „Der Spinnerin Nachtlied“ Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall, Das war wohl süßer Schall, Da wir zusammen waren. Ich sing und kann nicht weinen, Und spinne so allein Den Faden klar und rein, So lang der Mond wird scheinen. Als wir zusammen waren, Da sang die Nachtigall. Nun mahnet mich ihr Schall, Dass du von mir gefahren. So oft der Mond mag scheinen, Denk ich wohl dein allein. Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen. Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigall, Ich denk bei ihrem Schall, Wie wir […]

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Ein Tag im Exil

Im Kasten die sterblichen Masken Adam Abraham Ahasver Wer kennt alle Namen Die Aufnahme von Gedichten erfolgt unter verschiedenen Aspekten, unter denen Form und Bildlichkeit sich herausheben. Ein weiterer Aspekt liegt auf dem Klangwert. Dieser Aspekt beginnt mit Rhythmus, Klangfarbe und Melodie. Von diesen Aspekten ist der letzte in dem folgenden Gedicht nicht so wichtig. Der Klang ist Gedichten früherer Epochen eigen. Neuere Gedichte scheinen den Klang geradezu hinauszudrängen. Das vorliegende Gedicht von Rose Ausländer, 1967 unter dem Titel „Ein Tag im Exil“ erschienen, ist trotz dieses Mangels wirklich als ein Gedicht zu bezeichnen, da es aufgrund seiner Bildlichkeit […]

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Angstlied

Oder: Das Pfeifen im Walde Ulla Hahn Angstlied Ich hab kein Haus bin viel zu klein bläst mich ein Wind hinaus hinein Ich hab kein Mann bin viel zu bang zünd meinen Himmel selber an Ich hab kein Herz bin viel zu tot weich warm verschneit in liebe Not. GEDICHTINTERPRETATION EINLEITUNG Sie orientieren den Leser über den Text, indem Sie Titel, Autor und Erscheinungsjahr kurz benennen, den Inhalt knapp wiedergeben und die Thematik erschließen. Sie sollten außerdem zur Ihrer eigenen Deutungsthese hinführen, z. B.: Schon der Titel des Gedichts schreibt vor, dass bei den folgenden Versen an ein Kind […]

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