Von der Geburt des Journalismus in der Epoche der Romantik

Es gibt einen Affekt gegen die Romantik, aus dem ihre Gegner, an Faktenwissen orientierte Vernunftbürger, im Kampf gegen den sentimentalen Wahn, seit Generationen ihre Energien beziehen. Es gibt ein riesiges Aufgebot an Argumenten auf dieser Seite. Ist nicht die Rede von Göttern und Geistern, von versunkenen Welten und Sehnsuchtsorten kaum mehr als leeres, verantwortungsloses Gerede? Kant lässt sich wie folgt über die Sehnsucht vernehmen: „Der leere Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist Sehnsucht.“ Die Zeit zwischen dem Begehren und dem Erwerb des Begehrten könnte aber durchaus ausgefüllt werden. Der von Kant […]

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Rundgang um die Siegessäule

Joseph Roth: Rundgang um die Siegessäule (Berlin, 16. März 1921) Analyse einer literarischen Reportage (Klausurtext) EINLEITUNG Die vorliegende Reportage beschreibt das Interesse von Schaulustigen für den gescheiterten Anschlag auf die Berliner Siegessäule im unmittelbaren Bereich der Säule selbst, wenige Tage nach dem Ereignis vom 13. März 1921. Der Text, in der 64. Nummer des „Prager Tagblatt“ am 17. März 1921 erschienen, zeigt deutlich, dass der Autor, der Schriftsteller Joseph Roth, das Geschehen aus größerer Distanz betrachtet. Zwar kommentiert er es nicht direkt, schmückt es aber in einer Weise mit Details aus, dass die Darstellung komisch wirkt. Roths Reportage ist […]

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Der Prinz

Joseph Roth: Der Prinz (Glosse vom 8.7.1922) Klausurtext und Aufgabenstellung EINLEITUNG Der vorliegende Text beschreibt das Leben des Prinzen Wilhelm nach der Abdankung des Kaisers. Der Text, in der Abendausgabe des „Vorwärts“ am 8.7.1922 erschienen, zeigt deutlich, dass sich der Autor der sozialdemokratischen Linie des Blattes verpflichtet fühlt. Der Autor, der Schriftsteller Joseph Roth, der für mehrere Berliner Zeitungen Texte geliefert hat, hat sich des ungeachtet mehrfach kritisch gegenüber dem letzten deutschen Herrscherhaus geäußert. Die in Form einer Glosse verfasste Satire ist als Mahnung zu verstehen, das Haus der Hohenzollern nicht allzu ernst zu nehmen. Der vorliegende Text beweist, […]

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Sturz von der Karlsbrücke

Reportage. Der szenische Einstieg Zu Anfang einer Reportage wird meist auf den szenischen Effekt gesetzt. Oder der Autor beginnt mit einer These, einer atmosphärischen Stimmung, um nur zwei von vielen weiteren Möglichkeiten zu nennen. Szenischer Einstieg, das heißt: ein Teil derer, über die berichtet wird, ist in Aktion zu sehen. Glücklich ist dieser Einstieg, wenn die Dargestellten dabei nicht wie schlechte Schauspieler wirken. Spielt die Reportage zum Beispiel in Prag, sollten die Touristen nicht wie aufgesetzt wirken. Streicht der Autor zu oft heraus, dass die Touristen mit ihren neugierigen Gesichtern Straßen und Plätze bevölkern, wird er den Leser trotz […]

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Die Reportage

Aus dem Jahr 1929 stammt eine Bemerkung Siegfried Kracauers über den Stellenwert der Reportage in der Zeit der Weimarer Republik. Nicht zufällig ist dieser Bemerkung ein ironischer Unterton zu entnehmen. Ihr Gegenstand ist nämlich die Frage nach den Möglichkeiten realistischer Darstellungsweise. Auf der Suche nach dem „ungestellten Leben“ schreibt Kracauer: „Seit mehreren Jahren genießt in Deutschland die Reportage die Meistbegünstigung unter allen Darstellungsarten, da nur sie, so meint man, sich des ungestellten Lebens bemächtigen könne“ (Siegfried Kracauer: Schriften. Bd. 1. Frankfurt a. M. 1971, 216). Nichts liegt näher, als die Reportagen Egon Erwin Kischs, Joseph Roths, Heinrich Hausers, Alfred […]

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Fotografierte Realität?

Der Film am Anfang des 20. Jahrhunderts Von Anfang an ist der Film auch als Kunstform betrachtet worden. Zwar ist er schnell Massenware. Als der kinematographische Apparat nämlich 1898 in Frankreich konstruiert wird und bald darauf nach Amerika gelangt, stehen die gewinnlüsternen Dritten schon bereit. Das Medium verbreitet sich schnell. Die Masse interessiert sich zunächst für den Film als bewegtes Schauspiel, als fotografierte Jahrmarktssensation. Beliebt sind zum Beispiel die Schwindelgefühle, die durch den optischen Eindruck eines nach vorn fahrenden Zuges beim im Kinosessel ruhenden Zuschauer hervorgerufen werden. Natürlich ist so etwas nichts, was der Zuschauer deshalb schon als Kunst […]

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