Von der Geburt des Journalismus in der Epoche der Romantik

Es gibt einen Affekt gegen die Romantik, aus dem ihre Gegner, an Faktenwissen orientierte Vernunftbürger, im Kampf gegen den sentimentalen Wahn, seit Generationen ihre Energien beziehen. Es gibt ein riesiges Aufgebot an Argumenten auf dieser Seite. Ist nicht die Rede von Göttern und Geistern, von versunkenen Welten und Sehnsuchtsorten kaum mehr als leeres, verantwortungsloses Gerede? Kant lässt sich wie folgt über die Sehnsucht vernehmen: „Der leere Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist Sehnsucht.“ Die Zeit zwischen dem Begehren und dem Erwerb des Begehrten könnte aber durchaus ausgefüllt werden. Der von Kant beschriebene leere Wunsch müsste neu berechnet werden.

Heinrich von Kleist (1777–1811) beispielsweise beschließt, journalistisch tätig zu werden. Er „erfindet“ den Lokaljournalismus und nimmt sich vor, politisch unabhängige Berichte zu schreiben.

Sein journalistisches Manifest „Lehrbuch der französischen Journalistik“ beginnt dementsprechend so: „§ I. Die Journalistik überhaupt ist die treuherzige und unverfängliche Kunst, das Volk von dem zu unterrichten, was in der Welt vorfällt. Sie ist eine gänzliche Privatsache, und alle Zwecke der Regierung, sie mögen heißen, wie man wolle, sind ihr fremd“ (Kleist 1982: 892). Dieser neuartige Grundsatz wirkte tiefer und mächtiger als jede romantische Unruhe des Autors, und seine Zeitungsprojekte haben viele Nachahmer gefunden, auch wenn er sie nicht lange am Leben erhalten konnte.

Immer, wenn sich etwas Neues zuträgt in der Region, ist Kleist demnach schon munter. Und er nimmt es jedes Mal so genau, wenn es um die Darstellung geht, und lässt sich darüber aus in seinen Briefen. Manches von dem, was in den von ihm herausgegebenen „Berliner Abendblättern“ gedruckt wird, wirkt harmlos im Vergleich zu Kleists dämonisch durchtriebenen Dramen. So beispielsweise verhält es sich bei dem im Oktober 1810 erschienenen Bericht über einen Mann namens Beyer, die in seinem Leben schon mehrfach von Kutschen überfahren worden ist. Im Krankenhaus wird nach einigen witzigen Verwechslungen deutlich, welche Blessuren sein Körper davongetragen hat. Die Zeitung wird übrigens täglich ausgegeben, außer sonntags, vom 1. Oktober 1810 bis zum 30. März 1811.

Bei Johann Georg Forster („Ansichten vom Niederrhein“, 1791), Johann Gottfried Seume („Spaziergang nach Syrakus“, 1802), Heinrich Heine („Harzreise“, 1824), später bei Theodor Fontane („Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, 1862–1889) zeigt sich eine ähnliche Begeisterung für den Journalismus.

„In Romanen hat man uns nun lange genug alte, nicht mehr geleugnete Wahrheiten dichterisch eingekleidet, dargestellt und tausend Mal wiederholt. Ich tadle dieses nicht; es ist der Anfang: aber immer nur Milchspeise für Kinder. Wir sollten doch endlich auch Männer werden, und beginnen, die Sachen ernsthaft geschichtsmäßig zu nehmen, ohne Vorurteil und Groll, ohne Leidenschaft und Selbstsucht. Örter, Personen, Namen, Umstände sollten immer bei den Tatsachen als Belege sein, damit alles so viel als möglich aktenmäßig würde.“

(Aus dem Vorwort von Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus“)

Aufbau der Reportage

Zu Anfang einer Reportage wird meist auf den szenischen Effekt gesetzt. Oder der Journalist beginnt mit einer These, einer atmosphärischen Stimmung, um nur zwei von vielen weiteren Möglichkeiten zu nennen. Szenischer Einstieg, das heißt: ein Teil der Personen, über die berichtet wird, ist in Aktion zu sehen.