The linguistic turn

Die großen Fragen nach dem Wasser und der Sprache

Die großen Fragen – was das wohl heißt? Hast du eine Vorstellung davon? Die großen Fragen solltest du auf alle Fälle von den kleinen abgrenzen. Darum geht es offenbar. Zuerst solltest du die kleinen Fragen hören lernen: Was dir zum Mittagessen schmeckt? Oder ob der Elefant, den Rüssel schwenkend, tatsächlich gerade viele Figuren in den Sand gezeichnet hat, deren Scheitelpunkte von der Unendlichen durchschnitten werden?

Alles stammt aus dem Wasser

Größere Fragen sind nicht so leicht zu beantworten. Denk nur an das Universum, in dem sogar ein Körper wie die Erde, wie ein Kreisel um die Sonne geworfen, unendlich klein verschwindet! Thales, der griechische Philosoph und Astronom, soll an dieser großen Frage nach der Erdbewegung dermaßen interessiert gewesen sein, dass er darüber kleinere Fragen außer Acht ließ. Während er den Himmel betrachtete, übersah er eine Zisterne, die sich direkt vor seinen Füßen befand, und fiel hinein.

Aber war er nicht auch Geschäftsmann und als solcher gewohnt, große Fragen geschickt zu verkleinern? Und zwar so, dass er seine besonderen Kenntnisse über das Wetter ausnutzte? In einem Jahr kam ihm so der Gedanke, sämtliche Ölmühlen seiner Heimat zu kaufen und damit beträchtliche Einnahmen zu erzielen. Er hatte vorausgesehen, dass die Olivenernte günstig ausfallen werde.

Welche Fragen groß sind? Diejenigen, die ein Leben als Ganzes betreffen und nicht nur in manchen Abschnitten. Wenn du bereits vermutest, dass es bei diesen Fragen zum Beispiel um das Klima gehen könnte, liegst du nicht falsch. Nicht von ungefähr bezeichnete Thales, der auch, wie bereits angedeutet, Meteorologe gewesen ist, das Wasser als den Urstoff, aus dem alles Leben entstanden ist, weil es in der Gestalt von Wolkenbrüchen, Flüssen und Seen immer schon da war.

Wasser, Erde, Luft – wer weißt nicht, dass es sich dabei um Elemente handelt? Es gibt eine Richtung innerhalb des Denkens, – und Thales ist ein Anhänger dieser Richtung gewesen – bei allen grundlegenden Fragen auf die Elemente zurückzugehen, auf das Wasser, die Erde, die Luft und das Feuer. Fragen, die sich im Zusammenhang mit diesen zum Leben notwendigen Stoffen ergeben, haben die alten Philosophen darum die „großen“ Fragen genannt.

So solltest du den großen Fragen begegnen: Als ob es darum ginge, sie gegen die kleineren zu verteidigen! Wasser, das du mit gewölbten Händen aus einer Zisterne schöpfst, ist doch weniger wert als das Wasser, das um den gesamten Erdkörper verteilt sein muss.

The linguistic turn

Ähnlich verhält es sich übrigens mit der Sprache, meint Ludwig Wittgenstein, ein Philosoph der Moderne. Sie gehöre nämlich zu den Prinzipien, von denen, wie Thales es vom Wasser behauptet, alles herstammt. Es gebe sie unabhängig davon, welchen privaten Gebrauch du von ihr machst. Selbst die Wörter, deren Klang oder Bild du dich insgeheim bedienst, aus Scheu vielleicht nur in deinen Gedanken oder in Träumen, lassen sich ableiten von ihrer Verwendung in jener allgemeinen Sprache, welche unsere öffentlichen Gespräche bestimmt.

Die Philosophen der Moderne haben sich daran gewöhnt, dass unser kleines Denken von jener großen Sprache herkommt. Ein spontaner Gedanke ist darum in ihren Augen nicht mehr selbstverständlich. Selbst die einfache Vorstellung von einem Elefanten mit treffenden Worten zu belegen, kann schwierig sein. Wie ist es erst, wenn du an zusammengesetzte Vorstellungen (Einhörner) und Begriffe (Parallelogramm, Unendlichkeit) denkst? Dachten die früheren Philosophen aber, von Descartes bis Schlick, dass unser universales Wissen sich aus spontanen Gedanken, treffenden Einfällen und angemessenen Begriffen aufbaut, so ist Wittgenstein vom Gegenteil überzeugt: Nicht das private Denken bildet das Fundament der Erkenntnis, sondern die Sprache, außerhalb derer nichts gedacht werden kann.

Es kam Wittgenstein darauf an, den Sprachgebrauch im Kontext der öffentlichen Verwendung zu untersuchen. Von ihm stammt der Satz: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“