Er sieht immer so verhetzt aus –

Woyzeck: Rasierszene EINLEITUNG In Georg Büchners 1837 entstandenem, der Epoche des Vormärz zuzuordnendem Dramenfragment „Woyzeck“, das der Autor aufgrund seines frühen Todes nicht vollendet hat, wird erstmals in der Literaturgeschichte ein Mitglied der sozialen Unterschicht zur tragischen Hauptperson. Büchners Text veranschaulicht am Beispiel der Lebensumstände des hessischen Soldaten Franz Woyzeck die bedrückenden Lebensumstände in der Zeit zunehmender Industrialisierung in Deutschland, durch die es möglich gemacht wird, dass Menschen deformiert und zum Äußersten getrieben werden. Dem Drama liegt ein historischer Fall zugrunde: Der Arbeitslose Johann Christian Woyzeck ersticht seine Geliebte. In Büchners Drama ist es der Stadtsoldat „Franz“ Woyzeck – […]

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Goethes „Faust“ als Theodizee

(Theater über Theater zur Anklage Gottes) Die Aufgabe einer Kritik Gottes lässt sich als Frage nach seinem Verhältnis zum Leid beschreiben. Zum allgütigen und allmächtigen Gott wird Gott ja erst dann, wenn er wirklich in die Verhältnisse eingreift. Spielt Gottes Güte aber eine Rolle angesichts der unzähligen, vergeblichen Versuche der Menschen, das Böse zu überwinden? Die menschliche Sphäre scheint mehr von bösen Dämonen, Erdgeistern bestimmt zu sein. Das, heißt es im „Faust“, ist selbst dem Teufel nicht recht: „Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen / Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen“ (V. 297–298). Was die im […]

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Die Maske der Schuld

Oder: Kompensation als Ausweg   Franz Kafka: Die Verwandlung Vielleicht ist die Verwandlung Gregor Samsas, seine Annäherung an ein Ungeziefer, dessen Unterleib ständig schmerzt, der Annäherung des Kindes an die masochistisch geprägte Sexualität proportional. Wir lernen die schuldbehaftete Sexualität besser verstehen, wenn wir Gregor Samsa besser verstehen lernen. Gregor Samsa kompensiert nicht, er nimmt alle Schuld auf sich. Die schuldbehaftete Sexualität Gregors ist eine Art von Minderwertigkeitsgefühl.  Gregor Samsa hat viel, für das er sich schämen könnte. Seine berufliche Stellung ist durchaus nicht gesichert. Mit welchem Recht bleibt er also länger im Bett liegen? Vielleicht ist Gregor ein Nachfahr […]

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Prügler

Die Idee der Schuld war klar und präzise, als Kafkas Roman „Der Proceß“ die Rumpelkammer öffnete. So nämlich ist die Scham in neuer Bedeutung entstanden. Arbeitsanregungen: Das Prügler-Kapitel kennen Sie vermutlich bereits aus dem Deutschunterricht. Hören Sie sich das Kapitel in einer Produktion des Bayerischen Rundfunks an. Sammeln Sie Anklagepunkte, die K. belasten. Überlegen Sie, vor welchem Gericht die Anklagepunkte vorgebracht werden könnten: vor einem ordentlichen Gericht, einer Ethikkommission, K.s eigenem Gewissen? Schreiben Sie nun zwei Anklageschriften, die an verschiedene Gerichte adressiert sind. Eine Schreibhilfe ist es, der Anklageschrift zunächst ein bestimmtes Strafmaß zuzuordnen. Begründen Sie dann dieses Strafmaß. […]

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Die Gerechtigkeit der Götter

Franz Kafka: Der Proceß Oder: Die immerwährende Scham Josef K. versucht in das Innerste seiner Schuld zu blicken, geht aber weiterhin den gewohnten Tätigkeiten nach. Gerade im Gewohntesten stecken die größten Rätsel. Gerade im Banalen lässt sich das Unrecht wiederfinden. Die Gerechtigkeit aber schwebt als Siegesgöttin darüber, mit Flügeln an den Fersen. Das ist ironisch gemeint. Denn wen betrifft diese schwankende Gerechtigkeit mit Flügeln? Immer die Falschen – wie es der erste Satz des Romans bereits nahelegt: Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. In diesem Satz […]

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