Maschinenmenschen

Franz Kafkas Vision des Maschinenmenschen Josef K. s Charakter Entscheidendes hat sich in Josef K.s Leben ereignet. Er ist verhaftet worden, ohne in das Geheimnis der gegen ihn zu Recht oder Unrecht erhobenen Vorwürfe eingeweiht worden zu sein. Das Geheimnis seiner Verhaftung wird dadurch noch gesteigert, dass das Gericht sich jeder der üblichen Nachfragen entzieht. Josef K. – er ist Prokurist bei einer größeren Bank – gehört übrigens weiterhin dem Arbeitsalltag an. Es ist jedoch klar, dass die Verhaftung sich auf sein Verhalten in der Bank auswirkt. Latent bereits vorhandene Entfremdungstendenzen beschleunigen sich, dass Josef K., „erster Prokurist“ mit […]

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Kafkas Kippfiguren

Kafkas Figurengestaltung im Roman „Der Prozess“ Die Erzählperspektive bildet die conditio sine qua non. Nicht das Wissen über die Inhalte von Kafkas Roman „Der Prozess“, sondern das Wissen über die Verzerrung der Inhalte, die durch diese Perspektive bedingt ist, verschafft einen Zugang zum Gesetz und damit zur Schuld des Protagonisten. Das Tor zum Gesetz wird nicht durch festes Mauerwerk begrenzt, sondern durch den von der jeweiligen Perspektive bestimmten psychischen Raum. Wenn das Tor dem „Mann vom Lande“ verschlossen erscheint, durch übermächtige Wächter ausgefüllt, dann wird keiner mehr zugelassen. Die Wächter, deren es viele in diesem Roman gibt, haben sich […]

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K. und die Frauen

K. und die Frauen: Fräulein Bürstner Josef K. ist von der Übermacht seiner scheinbar „sehr gut[en]“ Kenntnisse über Fräulein Bürstner, derer er sich im Gespräch mit seiner Vermieterin Frau Grubach rühmt (Franz Kafka: Der Prozess. Roman. Hamburger Lesehefte Verlag: Husum 2015, S. 20, Z. 34), wie vom Schlag getroffen. Über die alte Angst infolge der verwirrenden Verhaftung am Morgen seines 30. Geburtstags hat sich eine neue Macht gelagert: Frau Grubach wenigstens, so scheint es, gilt er trotz aller Umstände weiterhin als Autorität unter den Mietern. Ihr peinliches Gerede über Fräulein Bürstner aber kann er nicht dulden („Ich will Fräulein […]

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Kafka geht in Platons Höhle

Franz Kafka: Von den Gleichnissen Bei Kafka gibt es ein Gleichnis über Gleichnisse, das zum Verständnis weiterer Texte Kafkas dienen kann. Es hat viel mit dem platonischen Höhlengleichnis gemeinsam. Bei beiden Gleichnissen liegt eine Zweiweltenlehre vor. Die eine Seite des Gleichnisses ist auf die wirkliche Welt bezogen, die andere auf die Welt des Scheins. In dieser hat der Schein das Wort, das „[S]agenhafte“, das „auch von [dem Weisen] nicht näher zu bezeichnen ist“, so Kafka. In jener anderen hat die Wirklichkeit das Wort, das „[F]assbare“, so Kafka. In dieser eigentlichen Welt – außerhalb der Höhle – hat alles seinen […]

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Der Kaiser ist tot!

Franz Kafka: Eine kaiserliche Botschaft   Der Raum selbst – als Bedingung der Möglichkeit der sinnlichen Erscheinung – mag wirkungslos sein. Er ist dennoch zu durchmessen. In Kafkas Erzählung „Eine kaiserliche Botschaft“ – als selbstständiges Prosastück aus der Erzählung „Beim Bau der chinesischen Mauer“ herausgelöst und im Buch „Ein Landarzt“ veröffentlicht – gibt es bestimmte Räume, die den Kaiser vom Empfänger der Botschaft trennen. Es gibt die hinderliche Menge, es gibt Treppen, es gibt unzählige Höfe. Es ist das „überlieferte“ Wort, das der Bote zu überbringen hat. Der Kaiser stirbt, als der Bote sich auf den Weg macht. Welcher […]

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Umkehr der Richtung

Das Verwandlungsmotiv in Kafkas Novelle „Die Verwandlung“ Wenn es heißt, der Mensch sei an der Verwandlung erst Mensch geworden, so ist im Falle Gregor Samsas das Gegenteil richtig. Es gehört zur Gabe des Menschen, sich verwandeln zu können, es gehört zu seiner spielerischen Veranlagung. Wie aufregend, sich alle möglichen Charaktere einverleiben zu können! Wie spannend, mehr sein zu können, als man ist! Die Verwandlung Gregor Samsas hat demgegenüber eine besondere Qualität. Diese besteht in der Umkehrung des Motivs. Darauf beruht die Ironie der Darstellung. Alle Gedanken der Hauptfigur sind erfüllt von dem Wunsch, nicht mehr, sondern, im Gegenteil, weniger […]

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Im Namen seiner Eltern

Kafka: Die Verwandlung. Prokuristenszene Zwei Thesen vorweg: Auch wenn es entmutigend viele Deutungen von Gregor Samsas „Verwandlung“ gibt, zählt diese Erzählung zu den interessantesten, die Franz Kafka geschrieben hat. Prinzipiell ist es möglich, Zusammenhänge zwischen dem Geschick Gregors und der Arbeitsteilung in der „Welt der Angestellten“ (Kracauer) herzustellen. Einige Interpreten dagegen neigen dazu, Gregor als Opfer eines in der Familie begründeten Schuld- und Schamkomplexes anzusehen. Die Prokuristenszene (Kafka 2015: 12,11–14,5) lässt sich mit beiden Deutungsansätzen in Verbindung bringen. Sobald wir in der Scham das bestimmende Motiv für Gregor Samsas Verwandlung erkannt haben, stoßen wir auf eine wichtige Frage: Ist […]

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