Die Kurzgeschichte

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Bei der Kurzgeschichte kommt es viel weniger darauf an, dass der Erzähler dem Leser ein Ereignis, als dass er ihm eine Situation darstellt. Die ersten, die diese Umänderung im Erzählen bemerkt haben, sind Erzähler der literarischen Moderne gewesen, Robert Musil zum Beispiel, Alfred Döblin, Ernst Toller und Kurt Tucholsky. Es beeinträchtigt diese Beobachtung nicht, dass die Kurzgeschichte im eigentlichen Sinn (Short Story) im englischsprachigen Raum entstanden ist. Entscheidend bleibt, dass die „Wahrheit der Erzählung“ nicht außerhalb des Erzählten gesucht wird. Kafkas Kurzgeschichten müssen als Parabeln verstanden werden und stellen daher eine Ausnahme von dieser Regel dar.

Das Neuartige an der Kurzgeschichte ist auch durch ihre Veröffentlichung in Zeitschriften und Magazinen bedingt. Dies führt zu einer größeren Nähe zwischen den Verfassern und Lesern der Texte. Die Autoren muten den Lesern keine übermäßig verfremdeten Texte zu. Jedes ästhetische Experiment, das an der Darstellung „echten Lebens“ vorbeigeht, wird gemieden. Der Fokus der neuen Gattung liegt auf der Darstellung wiedererkennbarer Situationen und unmittelbar zugänglicher Wirklichkeitsausschnitte. All dies hängt aufs Engste zusammen mit der Entwicklung der ästhetischen Moderne, mit der Entwicklung von Film und Fotografie.

Große Verbreitung erreicht die Kurzgeschichte in der neu entstehenden Bundesrepublik.