Die Idee der gemeinsamen „deutschen“ Sprache
Wenn im Folgenden von der Sprachentwicklung die Rede sein wird, dann soll die Sprache als Objekt betrachtet werden, an dem die geschichtliche Entwicklung sich vollzieht. Es wird weder um die Sprache als Spiegel der Geschichte gehen, in dessen Rahmen geschichtliche Veränderungen nachvollzogen werden können, noch um die Sprache als Medium der Geschichte. Historische Dokumente werden im Folgenden also nicht zu Grunde gelegt. Im Vordergrund steht, was sich aus der Sprache im Hinblick auf ihre Entwicklung ergibt.
Die Sprache der Deutschen ist als Schriftsprache in fränkischer Zeit (751–814 n. Chr.) in Gebrauch gekommen. Was die karolingische Reform dabei bewirkt hat, ist kaum zu ermessen. Die Reform wurde durchgeführt von Meistern des Sprachbewusstseins, von angelsächsischen und fränkischen Gelehrten am Aachener Hof Karls des Großen. Was diese Gelehrten erreicht haben, sollte zwar nicht lange Bestand haben – doch ihre Arbeit stellt etwas grundsätzlich Neues dar, das angeführt werden muss: die Verbesserung der lateinischen Kanzleisprache (correctio) und die Vereinheitlichung der deutschen Muttersprache.
Die Idee der gemeinsamen „deutschen“ Sprache (lingua theodisca) ist für diese Zeit mit Blick auf das zwischen Rhein, Nordsee, Weser und Elbe ausgedehnte Gebiet germanischer Sprachen eigentlich verwunderlich. Welche Sprachen kamen dafür nicht alles in Betracht: die Sprache der Alemannen und Bayern (Elbgermanen), die Sprache der Franken und Hessen (Weser-Rheingermanen), die Sprache der Friesen, Angeln und Sachsen (Nordseegermanen). Das Vorhaben Karls des Großen, die Volkssprache gegenüber dem Lateinischen aufzuwerten, musste angesichts der Besonderheiten der vielen Einzelsprachen bzw. Dialekte unmöglich erscheinen.
[Noch zu ergänzen!]