Prophetisches Erzählen

Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“

Dieser Roman beginnt prophetisch. Dabei ist dem Leser von der ersten Zeile an klar, dass realistisch erzählt wird. Die „Flieger“ (9, 1) über der Stadt bilden in der Tat Flugzeuge ab, so wie auf der Straße die Motorräder „die leichten Motorräder der Zeitungsfahrer“ (9, 22–23). Dokumentarischen Charakter haben die Titelzeilen der Zeitungen: z. B. „SCHAH HEIRATET, INTRIGEN UM DEN PFAUENTHRON“ (9, 18–19). Trotzdem verliert sich der Roman nicht in der Berichterstattung. Denn der Bericht ist prinzipiell stofflich. Er ist offen, beschränkt sich auf die Wiedergabe von Tatsachen, wobei der Berichterstatter im Hintergrund bleibt. Der Bericht kennt kein Urteil, keine Ironie, er kennt nur Neutralität. Das Lächeln der „Auguren“ (9, 6) lässt sich in einem Bericht nicht unterbringen. Denn die Auguren, die Vogelschauer der Römer, können nur als Stellvertreter (Metonymie) der Propheten und Dichter gelten, die sich ihres weisen Urteils über das berichtete Geschehen nicht enthalten.

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Arbeitsanregungen:

  • Benennen Sie thematische Aspekte des Romananfangs (9, 1–10, 27).
  • Schreiben Sie die Botschaft der Auguren in Ihrer Sprache. Finden Sie dafür eine Form, die Ihnen entspricht (Gedicht, Rap, Song). Auch ein Bild wäre möglich.