Das Nachtmotiv in Goethes „Faust“
Die Bindung von Fausts erstem Auftreten an die Nacht hat ihren guten Grund. Es ist eine verbreitete Vorstellung, dass in der Nacht das Schicksal innehält.
„Nun ist die wahre Spükezeit der Nacht, /
Wo Grüfte gähnen, und die Hölle selbst /
Pest haucht in diese Welt. Nun tränk’ /
ich wohl heiß Blut, /
Und täte Dinge, die der bittre Tag /
Mit Schaudern säh’.“
(Shakespeare: Hamlet III 2)
In der Nacht, vorzüglich um Mitternacht wird nach gängiger Vorstellung nämlich das Gesetz der Zeit aufgehoben – die Luke zu der „Anderen Seite“ öffnet sich, und die Geister erscheinen. Vor diese „Andere Seite“ wird auch Goethes hybrider Universalgelehrter Faust versetzt, für den die Vernunft offensichtlich kein Allheilmittel mehr bedeutet, der sich „der Magie ergeben“ hat:
„Drum hab ich mich der Magie ergeben, /
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund /
Nicht manch Geheimnis würde kund.“
(Goethe: Faust I 4)
Arbeitsanregungen:
- Erweitern Sie Ihre Phantasien über die „Andere Seite“, indem Sie die Gestaltung des Nachtmotivs in Goethes „Faust“ untersuchen.
- Zur Einstimmung können Sie sich auf das Bild des Zeitgenossen Goethes Johann Heinrich Füssli (1741–1825) beziehen. Erläutern Sie, worin die Unterschiede zwischen Füsslis und Goethes Nachtdarstellung bestehen!