Fixierte Ektase

Religiöse Ekstase! Egon Schiele: Der Prophet (1911)

Expressionistische Gesichter

Gesichter seien Fenster zur Seele, heißt es. Manchmal sind sie von einer eigentümlichen Starre des Ausdrucks, die – wie Carl Einstein in den Aufsätzen über die „Negerplastik“ (1915) herausstellt – auf den Gesichtern der primitiven Kultmasken sich zeigt. Manchmal sind deren Augen bedeckt oder halb geschlossen, so dass nichts zu ihnen zu dringen scheint. Es ist, als besäßen diese Gesichter keine Identität, um die die Europäer doch so bemüht seien, schreibt Carl Einstein. Die Maske ist objektiven Gewalten überschrieben, ihr Träger „inkarniert [das Objektive] in sich und er selbst ist dies Objektive, worin alles einzelne zernichtet“ (Carl Einstein: Negerplastik, hrsg. von Friederike Schmidt-Möbus, Reclam: Stuttgart 2012, 29).

Derartige Gesichter, in der Ekstase fixiert (vgl. ebd.), lassen sich in vielen Zeugnissen der Expressionisten wiederfinden. Manchmal ist der Mund bis zu den Ohren auseinander gestreckt. Die Zunge macht sich selbstständig und, heißt es in Kafkas Amerikaroman: „wie Karl zufällig bemerkte, [ergreift] mit einem Schwunge die Speise […]. Ihm wurde fast übel“ (Franz Kafka: Der Verschollene. Nach der Kritischen Ausgabe, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Fischer: Frankfurt am Main 1994, 66). Man kann sich vorstellen, welche Wirkung Kafkas Text damit bis heute erzielt: die – amerikanische! – Zunge, die ihr eigenes Geschäft verrichtet. Auch bei Georg Heyms Figuren ist jeder Teil des Gesichts separat zu betrachten, Stirn, Augen, Nase so gut wie die Zunge.

Es ist, als ob die einzelnen Teile des Gesichts nicht mehr zueinander passten. Das ist das Fenster zur Seele in der Ästhetik des Expressionismus.