Besuch vom Lande –

K. und die Männer: Der Onkel Der Onkel tritt sicherlich an Josef K. heran, um ihm zu helfen. Der Onkel gehört zum erweiterten Familienkreis, ist K. aber dadurch besonders verbunden, da er dessen Vormund gewesen ist. Unter den Begriff des Vormunds – ursprünglich ein rein juristischer Begriff – wird vieles subsumiert. Im juristischen Sinn ist der Vormund dazu da, für die wirtschaftliche Sicherheit des Mündels zu sorgen. Er ist zur Stelle, so lange bis das Mündel für die wirtschaftliche Selbsterhaltung sorgen kann und damit „mündig“ wird. Im weiteren Zusammenhang ist der Vormund jedoch auch als Autoritätsperson, als Vater-Ersatz zur […]

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Die Wahrheit durch ein Bild –

Methodenwissen: Analyse einer Parabel In den von Johann Gottfried Herder herausgegebenen jüdischen Parabeln steht die Fabel eines alten Mannes, dem spät abends auf einer Reise die Stadtmauern verschlossen bleiben und der darauf im Freien übernachten muss. Da fragt sich der Leser: Wie wird der Mann die Nacht überstehen? Jeder weiß doch, dass die Nacht Gefahren birgt. Jeder kennt dies aus den Sprichwörtern und Weisheiten, die jener Parabel zufolge von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben werden. Wer dies aber nicht weiß, dem hilft die Parabel selbst. Ein frommer Weiser kam vor eine Stadt, deren Tore geschlossen waren; niemand wollte […]

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Die Katze ist überall zu finden

Kafkaeske Ironie Längst hat die Kafka-Forschung erkannt, dass Kafka durchaus witzig zu schreiben versteht. Kafkas Witz beruht gewöhnlich auf kühler Ironie. Was Kafkas Figuren sagen, klingt also verdächtig. Das Gesagte entspringt nicht der Wahrheit. Kleine Fabel „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich […]

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Kafkaeske Ironie

K. und die Frauen: Leni K. s Verwirrung infolge der Verhaftung zeigt sich zum Beispiel in dem unangemessenen Umgang mit Frauen, in dem Fehlen einer von der Vernunft geleiteten Schamkontrolle. Dieser Umgang hat zwei Typen: Die Frau ist für den hilflosen K. entweder Geliebte (Elsa, Leni, die Frau des Gerichtsdieners) oder Mutter (Frau Grubach). Im ersten Fall sind K.s psycho-soziale Probleme klarer sichtbar als im zweiten. Seine Unterwürfigkeit gegenüber der Geliebten spiegelt den Prozess seiner zunehmenden Depersonalisation wider. Er kann dem Schrecknis der Liebe nichts entgegensetzen. Der Erzähler verzichtet dabei nicht darauf, K.s Unterwürfigkeit als Schwäche bloßzustellen. Er gibt […]

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K. und die Frauen

1. Fräulein Bürstner Fräulein Bürstner, Josef K.s Zimmernachbarin, erweckt sein Interesse und bedeutet ihm Abwechslung in seinem infolge der Verhaftung halb und schal gewordenen Dasein. Im Verlauf ihrer Begegnung kommen K.s narzisstische Überlegenheitsgefühle hervor. K. glaubt Macht über Fräulein Bürstner ausüben zu können. Das erste Kapitel enthält ein Gespräch zwischen Josef K. und Fräulein Bürstner [Franz Kafka: Der Prozeß. Roman. Suhrkamp (st 3669): Berlin 6. Auflage 2012, 29,7–36,8]. K. drängt es danach, seiner Zimmernachbarin von den Umständen seiner Verhaftung zu erzählen. Er besteht darauf, die Verhaftung nachzuspielen, und rückt dafür sogar Fräulein Bürstners Nachttischchen von seinem Platz. Folgende Gliederung […]

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Der beengte Raum –

Der Blick Josef K.s als Bezugssystem Wer von der Untersuchung der Scham zur Untersuchung des Raums in Kafkas Roman „Der Proceß“ übergeht, betritt von einem allgemeinen Standpunkt aus eigentlich kein neues Gebiet. So bedeutsam der Unterschied zwischen Scham und Raum methodisch gesehen auch sein mag, sie bilden doch Unterarten derselben Gattung: der Widerspiegelung der Wirklichkeit. Gerade bei dem Raum bedarf dies keiner besonderen Begründung, denn der Raum kann nichts anderes bedeuten, als dass das, was in der Wirklichkeit als Raum erblickt wird, auf ein Bezugssystem verweist, in dem es „widergespiegelt“ wird. Es ist daher leicht verständlich, dass der Raum […]

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