Das Haus in der Dorotheenstraße

Eine Novelle nach dem Muster eines analytischen Dramas Der sich zum melancholischen Rachegeist wandelnde Held in Hartmut Langes Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“ heißt Gottfried Klausen, ist Wirtschaftsjournalist, viel unterwegs, mit einer Vorliebe für gut recherchierte, präzise Berichterstattung. Kurz vor dem Abschluss der Erzählung kommt es zu mehr oder weniger offenen Ausfällen gegen die Frau des Helden, die diesen offenbar jahrelang betrogen hat. Der Erzähler lässt durchblicken, dass er Rache in diesem Fall für gerechtfertigt hält. Die Heuchlerin müsse die Strafe dafür fürchten, ihren Mann hintergangen zu haben: „[W]er da lachte, der sollte sich nicht allzu sicher fühlen. […]

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Der Sandmann. Klausur zur Probe

Der Schluss der Novelle Nathanaels fluchtartiger Sturz vom Rathausturm Das Kindheitstrauma bedeutet einen starken Einbruch in Nathanaels Lebenslauf, in das, was er fühlt und fürchtet, denkt und tut. Den Ausgang bildet die Situation hinter der Gardine, in der Stube des Vaters. Von dieser nimmt das seltsame Rachedrama, das E. T. A. Hoffmann im „Sandmann“ entwickelt, seinen Ausgang. Dass Nathanael den ernsthaften Entschluss zur Rache nicht ausführen kann, liegt zum einen an seiner wiederholten Ideenflucht und an narzisstischer Selbstbespiegelung. Der starke Einbruch in der Kindheit ist vor allem von der Angst bestimmt, die Augen durch den im Advokaten Coppelius, aus […]

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Ein Brief

Nathanael und der Feuerkreis Es sei eine merkwürdige Sache mit dem Feuer, sagte Hoffmann. Es spiele mit dem, der ihm zu entkommen versuche. Siegmund habe das nicht verstehen können, weil er überall nur Ausschweifung und Exaltation gesehen habe. Nur die Geräte in dem wunderlichen Laboratorium hätten seinen arbeitsamen Sinn angezogen, der umgestürzte Blumenstrauß; die in Glaskästen ausgestellten Organe mit ihrem reinatmigen Aufbau habe er wie Bücher aus ihren Regalen herausgenommen und betrachtet. Aber das Feuer habe Nathanael von allen Seiten eingeschlossen, sich allmählich, wie die Gesellschaft um den Außenseiter, herumgearbeitet. Die Menschen mit Krawatte, Anzug und anderen Kleinigkeiten, die […]

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Kommunikationsmodelle

1. Das Shannon-Weaver-Modell In allen Diskussionen über den Nutzen von Kommunikationsmodellen bleibt aber immer die Angst vor dem Scheitern der Kommunikation bestehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein origineller, schöpferischer Kopf Angst bekäme, dass seine Rede mit der „leeren“ Rede eines geschäftigen Schwätzers – eines Chatbots beispielsweise – gleichgesetzt wird, wenn er sich klar macht, dass in derartigen Modellen sein Reden auf ein Minimum von Elementen zurückgeführt wird, so im Sender-Empfänger-Modell zum Beispiel, über Entropie und Datenkompression, auf die Übermittlung von binären Signalen. Was erlaubt das Morsealphabet, was das Telefon, was Alexa – und was erlauben sie nicht? […]

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Narziss Nathanael

Die Umgestaltung der Figur des Rächers Das Kindheitstrauma bedeutet einen starken Einbruch in Nathanaels Lebenslauf, in das, was er fühlt und fürchtet, denkt und tut. Den Ausgang bildet die Situation hinter der Gardine, in der Stube des Vaters. Von dieser nimmt das seltsame Rachedrama, das E. T. A. Hoffmann im „Sandmann“ entwickelt, seinen Ausgang. Dass Nathanael den ernsthaften Entschluss zur Rache nicht ausführen kann, liegt zum einen an seiner wiederholten Ideenflucht und an narzisstischer Selbstbespiegelung. Der starke Einbruch in der Kindheit ist vor allem von der Angst bestimmt, die Augen durch den im Advokaten Coppelius, aus der Sicht des […]

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Kommunikation II

Die morsende Else Ich erzähle also davon, dass meine vier Tiere die Eckpunkte meiner bevorzugten Gespräche bilden. Allerdings genügt es nicht, dass wir diese Gespräche führen; jemand muss sie auch kommentieren. Vergesst aber nicht, welche Vorkehrungen wir getroffen haben, um unsere Kommunikation vor Menschenurteil zu schützen! Der Kommentator muss also vorsichtig sein! Morgens, wenn es hell wird, bereits, in einer Ecke des Stalls, werden diese Gespräche geführt. Oft haben Sebastian und ich an der Ostseite des Gebäudes gestanden und verfolgt, wie die Kuh Else ihre Nase ins Futter tauchte, bei jedem Schwung „Weiter so, Else!“ rufend. „Das ist ein […]

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Nathanaels „Geisterseherei“

Melancholie und Leben Die Unmöglichkeit, sich vorzustellen, dass der kränkliche Nathanael eine gesunde Beziehung mit Clara führt, lässt die Frage entstehen, wie es um die Verfassung jenes Charakters bestellt ist, dass er nicht umhin kann, zu scheitern. Die Antwort ist häufig auf die Formel gebracht worden, in Nathanael begegne dem Leser eine Figur, die an den Folgen eines schrecklichen Traumas leide. Das Nachdenken über das eigene Geschick hat viele Gesichter: Der Melancholiker betrachtet die erlebte Zeit als die verlorene Zeit. So erlebt Nathanael den Vater beim Erscheinen des Sandmanns: in melancholischer Starre versunken. Doch nicht nur über den Vater, […]

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