Geisterstunde

Das Nachtmotiv in Goethes „Faust“ Die Bindung von Fausts erstem Auftreten an die Nacht hat ihren guten Grund. Es ist eine verbreitete Vorstellung, dass in der Nacht das Schicksal innehält. „Nun ist die wahre Spükezeit der Nacht, / Wo Grüfte gähnen, und die Hölle selbst / Pest haucht in diese Welt. Nun tränk’ / ich wohl heiß Blut, / Und täte Dinge, die der bittre Tag / Mit Schaudern säh’.“ (Shakespeare: Hamlet III 2) In der Nacht, vorzüglich um Mitternacht wird nach gängiger Vorstellung nämlich das Gesetz der Zeit aufgehoben – die Luke zu der „Anderen Seite“ öffnet sich, […]

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Der Alchemist

Er hätte auch Paracelsus oder Simon Magus heißen können. Faust, der Übelbeleumundete, hat die Leute ständig in Atem gehalten. Der Fürst empfing einen guten Eindruck von Faust – nun, das ausgestellte Horoskop schien ihm sicher zu sein. Luther sympathisierte mit ihm, auch in jener Seele habe der Teufel sein Nest gefunden. Der volle Name des vom Erkenntnistrieb durchwalteten Mannes war: Johann Georg Faust. Er wurde vermutlich 1478 in Knittlingen geboren. Dieser Faust, warum sollte er nicht mit Dämonen sprechen, heißt es in einer Quelle. Ihn trieben sein Genie oder seine Melancholie dazu, die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten. Arbeitsanregungen: […]

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Ein Wissenschaftler namens Faust

Goethe: Faust (1832) Im Folgenden ist von einem Wissenschaftler die Rede und von einem Tabu der Religion. (Sie sehen und hören Will Quadflieg in der Rolle dieses Wissenschaftlers.) Daran schließt sich die Frage an, worin das Drama um den Wissenschaftler mit dem Namen Faust eigentlich besteht. Auf diese Weise soll der Unterschied zu anderen Wissenschaftsdramen deutlich werden. Faust ist kein Wissenschaftler vom Schlage Galileis. Wer den berühmten Wissenschaftler der Universität Padua aus dem Unterricht kennt, weiß, dass viele Verbindungen von ihm zur Kirche und von der Kirche zu ihm zurück führen. Er sieht, wie Brecht es im „Leben des […]

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Der Einbruch der Lüge in die Weltordnung

Der Proceß: Im Dom Wenn Kafka die Umstände im Dom klarer hätte ausleuchten wollen, dann hätte er es getan. Doch es gibt das Tabu, die Wahrheit deutlich auszusprechen. So verliert sich der Leser vielleicht in dem beweglichen Heer der Lichtmetaphern. Der Leser ist sich nicht sicher, wie er das Gespräch zwischen dem Domkaplan und K. zu deuten hat. Die Forschung, vereinfacht gesprochen, nennt die Lichtmetaphorik allegorisch. Das bedeutet, dass dem Text ein weiterer, verborgener Sinn zu entnehmen ist. Arbeitsanregungen: Vergleichen Sie die unterschiedlichen Lichtdarstellungen (Altarkerzen, Ewiges Licht, Taschenlampe usw.) im Hinblick auf den Bildspenderbereich und den Bildempfänger. Welche Wirkung […]

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Figuren des Wahnsinns

Wahnsinn und Vergessen als Kennzeichen der Moderne Von Orest wird berichtet, er sei mehrere Jahre häufig wiederkehrenden Depressionen verfallen gewesen. Die Krankheit war so ernst, dass man keinen Rat wusste und die Krankheit daher „Wahnsinn“ nannte. Dieser Wahnsinn, wie er in Goethes Schauspiel „Iphigenie auf Tauris“ (1786) gespiegelt wird, ist wie ein Bote, der dem expressionistischen, an Friedrich Nietzsches Schriften geschulten Diskurs über den Wahnsinn um mehr als hundert Jahre vorauseilt. Der Diskurs über den Wahnsinn, der die Kritik an dem, was als „normal“ gilt, beinhaltet, ist letztlich Kulturkritik. Expressionismus ist aufs Äußerste getriebene Kulturkritik – und insofern Anfang […]

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Prügler

Die Idee der Schuld war klar und präzise, als Kafkas Roman „Der Proceß“ die Rumpelkammer öffnete. So nämlich ist die Scham in neuer Bedeutung entstanden. Arbeitsanregungen: Das Prügler-Kapitel kennen Sie vermutlich bereits aus dem Deutschunterricht. Hören Sie sich das Kapitel in einer Produktion des Bayerischen Rundfunks an. Sammeln Sie Anklagepunkte, die K. belasten. Überlegen Sie, vor welchem Gericht die Anklagepunkte vorgebracht werden könnten: vor einem ordentlichen Gericht, einer Ethikkommission, K.s eigenem Gewissen? Schreiben Sie nun zwei Anklageschriften, die an verschiedene Gerichte adressiert sind. Eine Schreibhilfe ist es, der Anklageschrift zunächst ein bestimmtes Strafmaß zuzuordnen. Begründen Sie dann dieses Strafmaß. […]

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Kafkas Raumrevolution

Kleine Fabel „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie. Immer schon ist der Raum bei Kafka Thema. Die Maus, eine der bekanntesten Tierfiguren Kafkas, ist zunächst glücklich darüber, dass […]

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